Inhaltszusammenfassung:
In Waldgrenzökotonen ist wenig darüber bekannt, wie Bodeneigenschaften Baumwachstum beeinflussen und mit Veränderungen in der Bestandsstruktur und der Physiognomie von Bäumen interagieren. Besonders die möglichen Auswirkungen der Variabilität von Bodenfeuchte auf das Verhalten von alpinen Baumgrenzen haben bisher keine ausreichende Aufmerksamkeit erhalten. Die Bodentemperaturverhältnisse in Waldgrenzökotonen sind insgesamt gut dokumentiert und werden als ein Hauptfaktor für die Limitierung von Baumwachstum angesehen, sowohl auf globaler wie auch auf lokaler Ebene. Die Wechselwirkungen zwischen verfügbaren Bodennährstoffen und Baumwachstum in Waldgrenzökotonen wurden dagegen bisher kaum erforscht. Um diese Forschungslücken zu schließen, wurden wiederholt Messungen und Beprobungen in einem naturnahen Waldgrenzökoton im Rolwaling Himal (Nepal) vorgenommen.
Die vorliegende Arbeit (i) prüft den aktuellen Wissensstand über Bodeneigenschaften an alpinen Baumgrenzen und diskutiert die Ergebnisse bezogen auf Ökozonen und auf die maßstabsabhängige Bedeutung einzelner Faktoren; (ii) deckt Lücken in der Literatur auf und zeigt, wo neue Forschung notwendig ist, sowohl in konzeptioneller als auch in geografischer Hinsicht; (iii) untersucht in ihrem Schwerpunkt die Auswirkungen von lokalen Bodeneigenschaften (Temperatur, Feuchte, Nährstoffverfügbarkeit, u.a.) auf eine mögliche Limitierung von Baumwachstum im Rolwaling und deren Wechselwirkungen mit anderen abiotischen und biotischen Faktoren; (iv) liefert einen wichtigen Beitrag zum “TREELINE”-Forschungsprojekt, um die Sensitivität und Reaktion des Waldgrenzökotons im Rolwaling auf den jüngsten Klimawandel zu verstehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass auf globaler Ebene und in verschiedenen Ökozonen die Durchschnittstemperatur im Boden während der Vegetationsperiode entscheidend für Baumwachstum ist. An der Baumgrenze im Rolwaling wurde in dieser Zeit eine mittlere Bodentemperatur von 7.5 ± 0.6°C gemessen, die um 1.1 Kelvin höher ist im Vergleich zu den postulierten 6.4 ± 0.7°C an alpinen Baumgrenzen in globaler Perspektive. Es wird eine Vergrößerung der Standardabweichung von ± 0.7°C vorgeschlagen, um die große Spanne auf lokaler Ebene zu decken. Im Untersuchungsgebiet haben multivariate statistische Analysen signifikante Zusammenhänge zwischen Bodentemperaturen und den Veränderungen in der Bestandsstruktur bzw. in der Physiognomie von Bäumen ergeben (Baumhöhe, Kronendurchmesser, Kronenradius, Blattflächenindex). Im Gegenzug werden Veränderungen in den Bodentemperaturen durch die Bestandsstruktur selbst gesteuert.
Die Auswirkungen von Bodenfeuchte auf Baumwachstum an alpinen Baumgrenzen sind bis heute zu wenig erforscht. Flächendeckende Langzeitmessungen der Bodenfeuchte sind äußerst selten und fehlen vor allem an subtropischen, mediterranen und ozeanischen Baumgrenzen. Statistische Analysen zeigen, dass die Bodenfeuchtebedingungen im Rolwaling für die rezente Bestandsstruktur und Physiognomie der Bäume in der Tat weniger von Bedeutung zu sein scheinen. Im Gegenzug steuern Letztere die Bodenfeuchtebedingungen, die zusätzlich von der Schneedecke beeinflusst werden. Im gesamten Untersuchungsgebiet jedoch führen flachgründige und grobkörnige Böden zu allgemein geringen Wasserhaltekapazitäten und eine große Menge Wasser versickert aus den Oberböden in die Unterböden. Ohne ein schützendes Blätterdach treten in der alpinen Tundra ganzjährig die niedrigsten nutzbaren Feldkapazitäten im Vergleich zu subalpinem Wald und Krummholz auf, die hier zusätzlich aus einem höheren Einfluss von Sonneneinstrahlung, Wind und somit höherer Verdunstung resultieren. Vor allem in diesem Bereich wird eine Etablierung von Sämlingen und Setzlingen erschwert - ein wichtiger Mechanismus, der die Position der Baumgrenze steuert.
Ebenso werden die Wechselwirkungen zwischen den Hauptnährstoffen in Böden (v.a. Stickstoff und Phosphor) und Baumwachstum an alpinen Baumgrenzen bisher deutlich unterschätzt. Im Untersuchungsgebiet weisen Analysen der C:N:P-Stöchiometrie in Böden und Blättern sowie von pflanzenverfügbarem N und P in Böden auf eine generelle Limitierung von N und P hin. Der Nährstoffmangel an N und P nimmt signifikant mit der Höhe [m ü. NN] zu und interagiert stark mit der Bestandsstruktur. Dies gilt auch für andere Nährstoffe (z.B. Kalium, Magnesium), sowohl in Böden als auch in Blättern. Nährstoffmangel kann demnach erklärend dafür sein, warum eine mögliche Verschiebung der Baumgrenze hangaufwärts und die globale Erwärmung entkoppelt sind (höhere Bodentemperaturen an der Baumgrenze im Rolwaling im Vergleich zum globalen Durchschnitt).
Zusammenfassend hinterfragt die vorliegende Arbeit bisherige Studien, die argumentieren, dass alpine Baumgrenzen weder von der Verfügbarkeit an Bodennährstoffen noch von der Verfügbarkeit an Bodenfeuchte beeinflusst werden. Im Untersuchungsgebiet können sowohl bestimmte Kombinationen aus Bodeneigenschaften als auch einzelne Bodeneigenschaften allein Baumwachstum auch unterhalb der klimatischen Baumgrenze limitieren.