Inhaltszusammenfassung:
Die onkolytische Virotherapie stellt einen neuen Therapieansatz dar, der seinen Ursprung in gut dokumentierten Beobachtungen von Krebspatienten hat, die nach einer sich zufällig zeitgleich zur Tumorerkrankung ereignenden Virusinfektion eine komplette Remission ihrer Erkrankung erfuhren.
Mittlerweile wurden verschiedene Virusarten präklinisch und klinisch für die Behandlung unterschiedlicher Tumorerkrankungen untersucht. Diese Viren zeichnen sich durch ihre Eigenschaft aus, Tumorzellen selektiv zu infizieren und sich in ihnen rasant zu vermehren, was innerhalb kurzer Zeit zu deren virusvermittelter Zerstörung (“Onkolyse”) führt. Gesunde Zellen bleiben dagegen unbetroffen. Um die onkolytische Wirksamkeit dieser Viren noch zusätzlich zu verbessern, gibt es Ansätze, durch Insertion von Fremdgenen in das Virus-Genom (sog. “Armierung”) eine weiter verbesserte Tumorzellabtötung zu erreichen. Ein solcher Ansatz kann beispielsweise in der Armierung mit einem Fusionsgen bestehen, das für eine Enzymkombination aus Cytosindeaminase und Uracilphosphoribosyltransferase (sog. “SCD-Suizidenzym”) kodiert, die das Pro-Pharmakon (sog. “Prodrug”) 5-FC in das hochpotente Chemotherapeutikum 5-FU umwandelt. Die Tatsache, dass die Infektion und Suizidgen-Expression selektiv Tumorzellen trifft, ermöglicht somit eine zusätzliche lokale Hochdosis-Chemotherapie ohne begleitende sytemische Nebenwirkungen. Obwohl gezeigt wurde, dass diese Armierungs-Methode den onkolytischen Effekt signifikant verstärkt, wurde bisher kein optimales Dosierungsschema auf der Basis einer systematischen Variation der Applikationsbedingungen erarbeitet.
Das Ziel dieser Arbeit war es dementsprechend, Suizidgen-verstärkte Masernimpfviren für die onkolytische Virotherapie einzusetzen, verschiedene Regime der Pro-Pharmakongabe zu vergleichen und im Resultat ein optimales Anwendungsschema zu ermitteln (Yurttas et al, 2014).
Nachdem in einem umfangreichen Vorversuch für jede Tumor-Zelllinie eine für Folgeversuche jeweils am besten geeignete Virusmenge ermittelt wurde, konnten die entworfenen Behandlungspläne untersucht werden: 5-FC wurde zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Infektion mit den Suizidgen-verstärkten Masernimpfviren zugegeben und das Pro-Pharmakon blieb entweder kontinuierlich und für unterschiedliche Zeitspannen (kontinuierliche 5-FC Gabe) oder nur temporär und für definierte, kurze Zeitspannen (gepulste 5-FC Gabe) auf den Tumorzellen. Die Ergebnisse zeigen, dass eine kontinuierliche Pro-Pharmakongabe die effektivste anti-tumorale Wirkung bewirkt und einer gepulsten Applikationsweise deutlich überlegen ist (Yurttas et al, 2014).
Es wurde jedoch weiterhin festgestellt, dass die Pro-Pharmakonzugabe einen unterdrückenden Effekt auf die Virusvermehrung hat. Allerdings ist bislang nicht erkenntlich, ob die erniedrigten Virustiter unter Einwirkung von 5-FC durch direkte Hemmung der Virusvermehrung oder indirekt durch die verstärkte Onkolyse und damit durch den Entzug von Wirtszellmasse für das Virus zustande kommt. Interessanterweise zeigte eine frühe und kontinuierliche 5-FC Zugabe trotz des blockierenden Effekts auf die Bildung von Virusnachkommen eine signifikante Verstärkung des onkolytischen Effekts (Yurttas et al, 2014).
Unser experimenteller in vitro-Ansatz ist wohlwissend von Natur aus sehr künstlich und damit nicht direkt auf die klinische Anwendung übertragbar. Wir betrachten unsere Ergebnisse daher als vorläufige Anhaltspunkte, um nachfolgend in Kooperation mit einem Sponsor aus der biopharmazeutischen Industrie ein entsprechendes klinisches Anwendungsregime mit zeitlich optimal getakteter Behandlung mit unserem Virotherapeutikum MeV-SCD und dem Prodrug-Medikament 5-FC zu erarbeiten. Wir planen außerdem, dieses der zuständigen Bundesoberbehörde (Paul-Ehrlich-Institut) zur Genehmigung vorzulegen. Die Daten einer entsprechenden ersten klinischen Phase I-Studie werden dann weiteren Aufschluss über Sicherheit und anti-tumorale Effizienz dieses sehr vielversprechenden Ansatzes erbringen.