Kultureller Wandel und die Grabsitte im Frühneolithikum des Mittelmeerraumes

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Zitierfähiger Link (URI): http://hdl.handle.net/10900/68379
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-683792
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-9798
Dokumentart: Buch
Erscheinungsdatum: 2015-09
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Ur- und Frühgeschichte
DDC-Klassifikation: 300 - Sozialwissenschaften, Soziologie, Anthropologie
390 - Bräuche, Etikette, Folklore
930 - Alte Geschichte, Archäologie
Schlagworte: Archäologie , Kulturwandel , Totenbrauchtum , Neolithikum , Mittelmeerraum , Vor- und Frühgeschichte , Innovation
Freie Schlagwörter:
archaeology
prehistory
neolithic
cultural change
innovation
burial customs
ISBN: 978-1-4073-1425-9
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

 
Bis heute ist es üblich, dass kulturelle Gruppen des Neolithikums mit Hilfe einer einzigen Quellengattung, der Keramik, definiert werden. Solche anhand bestimmter Merkmale der Keramik erstellten Gruppen werden in der Praxis oft wie Gemeinschaften mit einer gemeinsamen kulturellen Identität behandelt. Die daran gelegentlich geäußerte Kritik hat bislang noch nicht in der Breite des Fachs zu einer veränderten Vorgehensweise geführt. Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, kulturelle Beziehungen und Grenzen mittels einer von der Keramik unabhängigen, ebenso aussagekräftigen Quellengattung – nämlich der Grabsitte – neu zu definieren. Anschließend kommt es darauf an, die Ergebnisse der verschiedenen Quellengattungen zusammenzuführen, um zu einem möglichst umfassenden Bild der kulturellen Gruppen des Neolithikums zu kommen. Dieser Ansatz wird exemplarisch anhand des Frühneolithikums in Süd- und Südosteuropa verfolgt. Der Theorieteil der Studie beginnt mit einer grundlegenden Betrachtung der spezifischen Eigenschaften der Grabsitte als archäologischer Quellengattung. Aufgrund der rituellen Prägung des Totenbrauchtums und der Eignung als Medium für das kulturelle Gedächtnis ist mit einem Potenzial für relative kulturelle Stabilität zu rechnen. Die Grabsitte kann also unter bestimmten Umständen eine im Vergleich zu anderen Bereichen der Kultur eher geringe Veränderungsgeschwindigkeit aufweisen. Besonders die Platzierung von Beigaben sowie die Niederlegung der Toten scheinen einer starken rituellen Prägung und damit auch einer besonderen Stabilität zugänglich zu sein. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich konkrete Hypothesen ableiten, welche spezifischen Entwicklungen in der Grabsitte am Übergang vom Mesolithikum zum Neolithikum je nach dem Charakter dieser Transition zu erwarten sind, so dass der Wandel in der Grabsitte für ein besseres Verständnis dieser Prozesse nutzbar gemacht werden kann. Der empirische Teil der Studie stützt sich auf einen Katalog mit Informationen zu 472 Bestatteten von 56 archäologischen Fundplätzen. Zunächst wird die räumliche Verbreitung einer Vielzahl einzelner Merkmale der Grabsitte ausgewertet. Die so identifizierten Befundkreise erlauben anschließend in ihrer Synthese, eine kulturelle Gliederung des Untersuchungsgebietes anhand der Grabsitte aufzustellen. Dieser Gliederung wird schließlich die etablierte Einteilung kultureller Gruppen anhand der Keramik gegenübergestellt. Das Ergebnis ist bemerkenswert, denn die beiden Kartierungen kultureller Gemeinsamkeiten und Grenzen weichen erheblich voneinander ab. Einige Grenzen scheinen zwar in beiden Quellengattungen auf. Andere Grenzen jedoch sind zwar in der Grabsitte erkennbar, aber nicht in der Keramik, und umgekehrt. Dieses Ergebnis ist neu, denn frühere Studien schienen nahezulegen, dass sich die keramische Gliederung mittels der Grabsitte regelmäßig bestätigen lasse. Allerdings nutzten diese Studien die Informationen aus der Grabsitte nur als sekundäre Quelle, um eine bereits getroffene Einteilung zu bestätigen oder zu widerlegen. Nun, da Keramik und Grabsitte als gleichwertige Quellengattungen für die Definition kultureller Gruppen genutzt werden, entsteht ein anderes Bild. Die Ergebnisse unterstreichen daher, dass es nicht ausreichend ist, kulturelle Gliederungen auf der Basis einer einzigen archäologischen Quellengattung zu erstellen, weil so nur ein unvollständiges und verzerrtes Bild der vergangenen Verhältnisse entstehen kann. Die Komplexität von kultureller Identität bringt es mit sich, dass kulturelle Gruppen wo immer möglich anhand einer Gesamtschau aus mehreren archäologischen Quellengattungen definiert werden sollten. Übereinstimmende oder abweichende Ergebnisse verschiedener Quellengattungen können dann als Ausgangspunkt für vertiefte Betrachtungen dienen. Nur wenn wir bei der Definition kultureller Gruppen verschiedene archäologische Quellengattungen heranziehen, können wir zu einem möglichst umfassenden Bild vergangener Realitäten gelangen.
 
Geringfügig überarb. Version der Dissertation von 2013
 

Abstract:

Traditionally, Neolithic cultural groups have been defined on the basis of a single type of archaeological evidence, namely, pottery. In practice, such clusters identified by specific pottery traits have often been treated as if they were communities with a common cultural identity. Occasional criticism of this practice has not led to a general methodological readjustment. This study is a systematic attempt to identify cultural relationships and boundaries on a new basis using a different, equally relevant set of evidence: burial customs. Only by integrating these results with those obtained from other types of sources, such as pottery, can we achieve a more comprehensive view of cultural groups. The feasibility and relevance of this approach is demonstrated by examining the Early Neolithic in South-eastern and Southern Europe. The study starts with a theoretical section exploring the specific characteristics of burial customs as an archaeological source. Burial customs as ritual behaviour are subject to the overall functional logic of rituals in general. Second, burial customs are also a very suitable carrier for the storage of cultural memory, i.e. the preservation of culturally specific information related to group identity. Due to these two aspects, burial customs potentially display a relative cultural stability. As a consequence, the rate of cultural change may – under certain circumstances – be slower in burial customs than in other types of archaeological sources. Based on these observations, the study develops hypotheses on the development of burial customs at the transition from the Mesolithic to the Neolithic with respect to the specific nature of this transition (e.g. culture contact or colonization). The book argues that by studying burial customs, we can gain a better understanding of the processes shaping this transition. The main empirical section of this book draws on data on Early Neolithic burials of 472 individuals from 56 archaeological sites. It begins by exploring the spatial distribution of various traits of burial customs one by one. In a second step, distribution maps of single traits are combined to establish cultural groups in the Early Neolithic of South-eastern and Southern Europe, based entirely on burial customs. Finally, the resulting combined map of this grouping is contrasted with the established cultural grouping based on pottery. The result is striking: Rather than presenting roughly identical pictures of boundaries and areas with similar traits, the maps obtained differ markedly between the two approaches. Some boundaries do coincide in both types of sources. However, other boundaries are evident in burial customs where no such boundary can be seen in pottery, just as there are boundaries in pottery not mirrored in burial customs. This is in contrast to previous studies that seemed to suggest that burial customs tend to simply confirm the cultural grouping established in advance on the basis of pottery. However, these studies used burial data only as a secondary data source to confirm or contradict a given classification. A different picture emerges now that both types of sources are treated as equally relevant evidence in the definition of cultural units. Thus, the findings clearly illustrate that it is not adequate to define cultural groups on the basis of a single archaeological source with very specific characteristics, because this is bound to distort our view of the past. Cultural identity should be regarded as a complex concept. Therefore, the definition of cultural units should always rely on triangulation from several types of sources. Matching or diverging results from different sources can be used as points of departure to further explore the processes through which cultural identity is established. Only by integrating information relating to cultural affiliation from several types of archaeological sources can we hope to achieve a comprehensive picture of past realities.

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