Inhaltszusammenfassung:
Der familiäre Hintergrund von Schülerinnen und Schülern hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Schülermotivation und –leistung (Coleman et al., 1966). Während sich die Forschung in der Vergangenheit mehrheitlich auf strukturelle Merkmale von Familien konzentrierte, betont die heutige Forschungsliteratur die Wichtigkeit von prozessbezogenen familiären Bedingungen für die Schulleistungen (Bronfenbrenner & Morris, 2006; McLoyd, 1998). Unter den verschiedenen prozessbezogenen familiären Merkmalen scheint vor allem die Motivation der Eltern eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Schülermotivation zu spielen (Lazarides et al., 2015). Jedoch bleiben noch einige Fragen zu den verschiedenen Prozessmerkmalen von Familien unbeantwortet. Die vorliegende Dissertation besteht aus drei empirischen Studien, welche die Zusammenhänge zwischen strukturellen und prozessbezogenen familiären Merkmalen mit der Motivation und Leistung von Schülerinnen und Schülern untersuchen. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei den eher wenig untersuchten motivationalen Merkmalen von Familien (d.h. der elterlichen Motivation) zu. Mithilfe einer multidimensionalen und prozessorientierten Konzeption des familiären Hintergrundes beschäftigt sich die Dissertation mit drei Fragen: (1) Inwiefern hängt das Zusammenspiel von verschiedenen prozessbezogenen familiären Merkmalen unter Einbezug von strukturellen Merkmalen mit der Schülermotivation und –leistung zusammen; (2) Wie hängen Eltern- und Schülermotivation bidirektional zusammen und wie beeinflussen sie gemeinsam den Werdegang von Schülerinnen und Schülern; (3) Wie können motivationalen Unterschieden zwischen Schülerinnen und Schülern mit besseren und schlechteren motivationalen familiären Charakteristika entgegen gewirkt werden?
Studie 1 untersucht die Wechselwirkung von verschiedenen familiären Charakteristika und deren Zusammenhang mit Schülermotivation und –leistung mithilfe eines personen-zentrierten Ansatzes. Die Studie bezieht sich hierbei auf Daten von 1.571 Neuntklässlern aus 82 Klassen von 25 Gymnasien. Unter Einbezug der elterlichen Motivation, der Unterstützungsbedürftigkeit des Kindes, akademischer Involviertheit der Eltern, der Eltern-Kind Beziehung sowie der elterlichen Zeit und Energie ergaben latente Profilanalysen fünf Muster an familiären Charakteristika: gleichgültige, motiviert und engagierte, motiviert und nicht engagierte, involvierte und durchschnittliche Familien. Die Ergebnisse zeigten, dass Schülerinnen und Schüler aus Familien, welche als motiviert und engagiert oder als motiviert und nicht engagiert charakterisiert wurden, im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern aus durchschnittlichen Familien ein höheres Maß an Motivation sowie bessere Leistungen zu Beginn zeigten sowie bessere Leistungen und Noten nach fünf Monaten hatten. Im Gegensatz dazu erhielten Schülerinnen und Schüler aus involvierten Familien (gekennzeichnet durch mittlere Motivation aber hohe Involviertheit) schlechtere Noten als Schülerinnen und Schüler aus motiviert und nicht engagierten Familien.
Aufgrund der besonderen Bedeutung der elterlichen Motivation untersuchte Studie 2 die wechselseitigen Zusammenhänge zwischen Eltern- und Schülermotivation (Nützlichkeitseinschätzungen und Fähigkeitsüberzeugungen) und deren Zusammenhang mit den belegten Kursen, der Leistung und den Karriereaspirationen von Schülerinnern und Schülern von der ‚middle school‘ bis zum ‚college‘. Die Ergebnisse der Pfadanalysen von 301 Familien zeigten, dass die mütterlichen Einschätzungen der Fähigkeiten ihres Kindes in Klasse sieben die Schülermotivation, die belegten Kurse sowie die Leistung der Schülerinnen und Schüler in der zwölften Klasse vorhersagten. Die Schulleistung in Klasse zehn sagte die mütterlichen Wertüberzeugungen in Klasse zwölf vorher. Schließlich sagten die mütterlichen Wertüberzeugungen auch die zukunftsorientierte Motivation, die belegten Kurse sowie die Karriereaspirationen im College vorher—unter Kontrolle der motivationalen Überzeugungen, der belegten Kursen sowie der Leistung der Schülerinnen und Schülern in der 12. Klasse.
Aufgrund der substantiellen Zusammenhänge zwischen der elterlichen Motivation und der Schülermotivation untersuchte Studie 3, ob Motivationsinterventionen genutzt werden können, um die motivationalen Unterschiede von Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichem Hintergrund (sozioökonomischer Status und motivationale familiäre Merkmale) entgegen zu wirken. Hierzu wurden 82 Klassen randomisiert einer von zwei Interventionsbedingungen oder einer Kontrollgruppe zugewiesen. Mithilfe der Daten von 1.522 Schülerinnen und Schülern sowie ihrer Eltern wurden differenzielle Effekte der Intervention in Abhängigkeit des familiären Hintergrundes auf die Motivation von Schülerinnen und Schülern nach sechs Wochen und fünf Monaten untersucht. Die Intervention war besonders erfolgreich darin, die Motivation von Schülerinnen und Schüler, deren Eltern ein niedrigeres Interesse und einen niedrigeren intrinsischen Wert berichteten, fünf Monate nach der Intervention zu fördern. Es wurden keine differenziellen Effekte in Abhängigkeit des sozioökonomischen Status gefunden.
Anschließend werden die Befunde der drei empirischen Studien zusammengefasst und in Bezug auf die aktuelle Forschungslandschaft diskutiert. Zum Schluss werden Implikationen für zukünftige Forschung sowie die Praxis abgeleitet.