Inhaltszusammenfassung:
Für die vorliegende Arbeit und die daraus entstandenen Publikationen wurden unterschiedliche Anwendungsbereiche des Hühnerembryo-Modells für die Melanomforschung im Detail herausgearbeitet und in einem zweiten Schritt in experimentellen Studien angewendet. Hierbei konnte gezeigt werden, dass Melanomzellen sich in unterschiedlichen Mikrokompartimenten (Neuralrohr, Augenbecher, Rhombencephalon) des Hühnerembryos unterschiedlich verhalten. Des Weiteren ließen sich anhand der embryonalen Mikrokompartimente die physiologische (Neuralleisten-) Migration von der pathologischen Invasion unterscheiden. Mit Hilfe unterschiedlicher Experimentalserien war es somit möglich, Unterschiede im malignen Wachstum von Melanomzellen herauszuarbeiten und zu zeigen, dass Melanomzellen aus verschiedenen Wachstumsphasen ihr abgestuftes Invasionspotential auch in vivo im Rhombencephalon-Modell aufrechterhalten.
Das maligne Melanom hat von allen primären Neoplasien des Erwachsenen die höchste Neigung in das Gehirn zu metastasieren. In dieser Arbeit werden invasives Wachstum und die Bildung von Melanommetastasen aus Suspensionen humaner Melanomzellen im Gehirn von Hühnerembryonen beschrieben. Melanozyten leiten sich von der embryonalen Neuralleiste ab. Nach Transplantation in die Neuralleiste nehmen Melanomzellen die Neuralleistenwanderung entlang des medialen und des lateralen Weges wieder auf und sterben in den Zielregionen, in denen sie sich terminal differenzieren müssten, durch Apoptose. Nach Injektion von Melanomzellen in ektope Gebiete wie das Rautenhirn oder den Augenbecher treten maligne Invasion und lokale Gewebedestruktion auf.
Frisch isolierte Melanomzellen aus Metastasen betroffener Patienten ebenso wie etablierte Melanomzelllinien wurden in die Rhombenzephalon-Blase von zwei Tage alten Hühnerembryonen gespritzt. 48 bzw. 96 Stunden später wurde die Tumorentwicklung untersucht, indem Paraffin-Serienschnitte mit dem Melanom-spezifischen HMB45- und dem human-spezifischen anti-MIB1-Proliferationsmarker gefärbt wurden. Der Großteil der in die embryonale Liquorhöhle injizierten Zellen ging nach der Injektion spontan zugrunde. Nur in neugeformten Aggregaten oder wenn sie der dorsalen Deckplatte anhefteten, entkamen die injizierten Melanomzellen der Apoptose. Eine lokale Invasion trat nur im Bereich dieser Deckplatte auf, nicht jedoch im sich ventral differenzierenden Neuroepithel.
Obwohl nach 48h die Melanomzellen zu beiden Seiten breitflächig in die Deckplatte des Rhombenzephalons einwanderten, fand sich nach 96h typischerweise ein großer Tumorknoten, der sich in der Mittellinie zwischen Deckplatte und dorsalem Oberflächenepithel ausgebildet hatte. Von diesem Tumor ausgehend wanderten einzelne Melanomzellen in das Mesenchym und in Blutgefäße ein. Verschiedene Zelllinien mit unterschiedlichen invasiven Eigenschaften behielten dabei ihr jeweiliges Invasionspotential bei. Maximal invasive Zellen (BLM-Zellen) bildeten kontinuierliche Pfade über Blutgefäße und entlang von Nervenfasern.
Dieser zentrale Tumor in der Deckplatte des Hühner-Rhombenzephalons ähnelt einer Metastase in Melanompatienten. Penetration des Deckplattenepithels, Tumorformation und Invasion von umgebenden Geweben durch einzelne Zellen sind zuverlässig reproduzierbar. Das Hühnerembryomodell kann daher für molekulare Studien der frühen Phasen der Hirnmetastasierung eines Melanoms verwendet werden.
Das embryonale Hühnermodell erlaubt die Unterscheidung von physiologischer und invasiver Migration von Melanomzellen in besonderen embryonalen Kompartimenten sowie die Beeinflussung von injizierten Melanomzellen durch Vorbehandlung der Zellen. Die einfache Handhabung, der günstige Preis, die ethische Unbedenklichkeit und die herausragenden Möglichkeiten zur Manipulation mit guter Reproduzierbarkeit machen aus dem Hühnerembryo daher ein ausgezeichnetes in vivo-Modell für die Melanomforschung. Es kann beispielsweise dazu verwendet werden, durch embryonale Onkogene induziertes invasives Verhalten zu untersuchen, oder aber auch zur gezielten Manipulation von Melanomzellen mit dem Ziel, invasive Eigenschaften zu entfernen