Inhaltszusammenfassung:
Die postoperative Blasenentleerungsstörung kann in Abhängigkeit der
durchgeführten Operation nach urogynäkologischen Eingriffen eine häufige
Begleiterscheinung sein und eine Harnableitung notwendig machen. Dabei
herrscht kein Konsens, ob diese mittels transurethralem Dauerkatheter,
intermittierendem transurethralen Katheterismus, oder suprapubischem
Blasenkatheter erfolgen soll. In nahezu allen Fällen ist die
Blasenentleerungsstörung passager, seltenst persistiert sie.
Im Rahmen unserer Erhebung untersuchten wir retrospektiv die Daten von
N=4463 Patientinnen, die in dem Zeitraum vom 01.06.2005 bis 31.01.2013 an
der UFK Tübingen wegen BIK, Descensus genitalis, oder einer Kombination
aus beiden Erkrankungen operiert wurden. Zusätzlich wurden die Daten von
N=35 Patientinnen, welche wegen vesikovaginaler oder urethrovaginaler Fisteln
operiert wurden analysiert.
Wir konnten feststellen, dass bei gewissen Eingriffen eine postoperative
Blasenentleerungsstörung von etwa 5 Tagen zu erwarten ist. Je nach
Kombination mit weiteren Eingriffen kann diese interindividuell unterschiedlich
lange fortbestehen. Neben einem intermittierenden transurethralen
Kathetersimus wäre also eine suprapubische Harnableitung für diese Eingriffe
wegen der Dauer der Blasenentleerungsstörung und den Vorteilen eines SPK
wie der Option eines Blasentrainings der Patientin von Vorteil. Die aktuelle
Studienlage legt zudem einen höheren Patientenkomfort im Vergleich zu
anderen Harnableitungsverfahren nahe. Namentlich wäre bei folgenden
Eingriffen die suprapubische Katheteranlage von Vorteil: Die vordere
Kolporrhaphie vor allem in Kombination mit vaginalen Eingriffen im hinteren und
mittleren Beckenbodenkompartiment oder/ und TVT-Anlage, die
spannungsfreie Netzeinlage im vorderen Kompartiment in Kombination mit
einer TVT-Anlage.
Für andere Eingriffe, wie isolierte hintere Kolporrhaphie, Kolposuspension oder
Sakropexie scheint die suprapubische Harnableitung nur in Ausnahmefällen
indiziert.
Bei den Fisteloperationen von voroperierten Patientinnen ist die Anlage eines
SPK unter Umständen mit hohen Risiken für eine Darmverletzung verbunden,
und sollte daher gegebenenfalls laparoskopisch assistiert erfolgen. In
Ausnahmefällen sind ausgedehnte Voroperationen auch als Kontraindikation für
die Anlage eines suprapubischen Katheters zu sehen.
Die Schlußfolgerungen unserer Studie können in die
Patientenaufklärungsgespräche integriert werden.
Wesentliche Limitationen bestehen in dem eher explorativen Design der Studie
mit unterschiedlichen Patientenzahlen in den verschiedenen Kategorien,
Untergruppen, und Operationsgruppen sowie in der begrenzten Erfassbarkeit
weiterer Parameter wie der Patientenzufriedenheit. Auf eventuelle
volkswirtschaftliche Fragestellungen, wie der ökonomischsten Form der
Harnableitung wurde nicht eingegangen, wobei sicherlich eine kürzere
Hospitalisierungsdauer weniger Kosten verursacht, und diese durch eine
optimale Therapie der postoperativen Blasenentleerungsstörung am ehesten
erreicht werden kann.