Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Untersuchung stellt eine sekundäranalytische Auswertung der Daten
der repräsentativen Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in
zurück Deutschland“ dar, die von 2002 bis 2004 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) an der Universität Bielefeld in Kooperation mit
infas durchgeführt wurde. Aus der Studie liegen umfangreiche Daten zu den Gewalterfahrungen
von Frauen, zu den Folgen von und Reaktionen auf die Gewalt sowie der
Lebenssituation und Gesundheit von Frauen vor. In der ersten Auswertung wurden das hohe Ausmaß und die erheblichen Folgen von
Gewalt gegen Frauen sichtbar. Sie zeigen auf, dass Gewalt gegen Frauen überwiegend
im Kontext von Paarbeziehungen verübt wird und deshalb häusliche Gewalt eine herausragende
Rolle bei der Analyse und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einnimmt.
Frauen, die körperliche, sexuelle oder psychische Übergriffe in Paarbeziehungen erlebt
haben, sind in sehr unterschiedlicher Weise von Gewalt betroffen, und es besteht ein
breites Spektrum von Schweregraden und Mustern von häuslicher Gewalt, das mit
unterschiedlichen Bedarfen an Unterstützung und Intervention einhergeht. Dieser
auch für die Praxis hoch relevante Themenkomplex konnte in den ersten Auswertungen
des Datensatzes noch nicht weiter vertieft werden, ebenso wenig die Frage nach den
Entstehungsbedingungen von Gewalt und nach sogenannten Risikofaktoren für Gewalt
sowie Unterschieden in der Inanspruchnahme institutioneller Unterstützung durch
gewaltbetroffene Frauen. In der Praxisarbeit und Prävention, aber auch in der europäischen
und bundesdeutschen wissenschaftlichen Forschung zu häuslicher Gewalt
besteht ein hoher Bedarf an differenzierten und empirisch fundierten Erkenntnissen
über Unterschiede in der Gewaltbetroffenheit, in den Entstehungsbedingungen von
Gewalt, in den Reaktionsmustern der Betroffenen und deren Unterstützungsbedarf.
Der vorhandene Datensatz der bundesdeutschen Prävalenzstudie zu Gewalt gegen
Frauen, der auf Interviews mit über 10.000 in Deutschland lebenden Frauen basiert,
bietet aufgrund der vielfältigen und weitreichenden Informationen zur Entstehung und
Dynamik von Gewalt in Paarbeziehungen, zu Folgen und Reaktionen betroffener Frauen
und ihrer Partner, zur Nutzung institutioneller Hilfe und Unterstützung sowie zur aktuellen
Lebenssituation der Frauen eine einmalige Gelegenheit, solche Fragen weiter
vertiefend anhand der repräsentativen Daten zu untersuchen. Dies erlaubt – anders als
bei Befragungen in Einrichtungen und Institutionen – auch die Gewaltbetroffenheit
jener Frauen zu beleuchten, die bislang mit niemandem über erlebte Übergriffe gesprochen
haben und deren Gewaltbetroffenheit nicht im institutionellen Unterstützungsund
Interventionssystem sichtbar geworden ist.
Die für diese Untersuchung durchgeführte sekundäranalytische Auswertung des Datensatzes
der BMFSFJFrauenstudie
zielt darauf ab, eine differenzierte Einschätzung unterschiedlicher
Schweregrade, Muster und Ausprägungen von Gewalt in Paarbeziehungen
zu ermöglichen. Darauf aufbauend wird in einer systematischen Analyse gewaltbeeinflussender
und Risikofaktoren der Frage nachgegangen, welche individuellen, sozialen, paarspezifischen und situativen Faktoren Gewalt und deren Aufrechterhaltung in Paarbeziehungen
begünstigen oder vermindern können und welche Bevölkerungsgruppen
in erhöhtem Maße von Gewalt betroffen sind. Daraus leiten sich sinnvolle Ansatzpunkte
für die Weiterentwicklung von Prävention, Unterstützung und Intervention ab. Mit der
Untersuchung soll ein Beitrag zu einem besseren Verständnis der Unterschiede in der
Gewaltbetroffenheit von Frauen durch häusliche Gewalt und dem Einfluss sozialer und
soziostruktureller Faktoren auf die Entstehung und Aufrechterhaltung von Gewalt in
Paarbeziehungen geleistet werden.