Inhaltszusammenfassung:
Die Selektion von T-Zellen im humanen Thymus dient dem Aufbau eines zur Immunabwehr befähigten, jedoch nicht autoaggressiven T-Zell-Repertoires. Die Interaktion zwischen T-Zell-Rezeptoren reifender Thymozyten und HLA-Komplexen im Mikromilieu des Thymus spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der „positiven Selektion“ im Cortex des Thymus wird der programmierte Zelltod funktionsfähiger T-Zellen verhindert. Publikationen der letzten Jahre weisen darauf hin, dass hierfür Cortex-spezifische Prozessierungs-mechanismen existieren, die im menschlichen Körper einzigartige HLA-Komplexe hervorbringen könnten. Es besteht die Möglichkeit, dass diese HLA-Komplexe niedrig-affine Peptide präsentieren, die nach ihrer Ablösung eine leere Bindungstasche hinterlassen. In dieser Arbeit wurden eingehend charakterisierte monoklonale Antikörper mit Spezifität für die supertypische HLA-B-Determinante Bw4 und „common“-HLA-B-Antikörper verwendet, um strukturelle Unterschiede zwischen HLA-B-Komplexen in Cortex und Medulla des Thymus serologisch zu erfassen. Immunhistochemische Analysen von humanen Thymi mit Immunperoxidase-Einfachmarkierungen und Immunfluoreszenz-Doppelmarkierungen zeigten hierbei eine besondere Verteilung der jeweiligen Antigene auf: Erwartungsgemäß wurden Bw4- und HLA-B-Komplexe in der Medulla gleichermaßen detektiert; Zellen wie medulläre Epithelien zeigten eine simultane Expression der Antigene. Demgegenüber waren Bw4-Antigene im Cortex im Vergleich zu HLA-B-Komplexen wider Erwarten kaum oder nur relativ schwach nachweisbar. Zu den wenigen Bw4-positiven Strukturen gehören Endothelzellen, sowie nahe an der Medulla gelegene Epithelzellen. Auch auf durchflusszytometrisch analysierten CD1-positiven kortikalen Thymozyten war die Bw4-Determinante auf HLA-B-Komplexen kaum nachzuweisen. Da die Bindung der Bw4-spezifischen Antikörper an ihr Epitop von der Präsenz eines Peptids in der Peptidbindungstasche des HLA-Moleküls abhängig ist, liefert dieser Befund einen Hinweis auf das Vorhandensein von Peptid-freien HLA-Komplexen im Cortex des menschlichen Thymus. Nach dieser Hypothese würde die hier stattfindende positive Selektion heranreifender Thymozyten unabhängig von HLA-gebundenen Peptiden, den eigentlichen immunogenen Zielobjekten des T-Zell-Rezeptors, stattfinden.