Inhaltszusammenfassung:
Die öffentliche Diskussion um eine gesetzliche Regelung aktiver Sterbehilfe hat sich in den vergangenen Jahren intensiviert. Politiker, Patientenvertreter und Ärzte beteiligen sich mit oft medienwirksamen Beiträgen. Doch wie gestaltet sich die berufsgruppeninterne Meinungsbildung? Herrscht ein weitgehender Konsens in der Ablehnung der aktiven Euthanasie oder findet eine Debatte statt, die die Ärzteschaft vielleicht sogar spaltet? Mithilfe der quantitativen und inhaltsanalytischen Auswertung von Artikeln zwischen 1949 und 2010 aus dem Deutschen Ärzteblatt – dem Publikationsorgan der Bundesärztekammer – sollten diese und weitere Aspekte der Diskussion untersucht werden. Dabei interessierte die Sonderrolle, die die Zeitschrift als „Sprachrohr“ der offiziellen Ärztevertretung einnahm. Vor dem historischen Hintergrund der NS-Euthanasie war die Frage, inwieweit in der Nachkriegszeit überhaupt das Thema Sterbehilfe eine Rolle spielte und ob in der Folge eine Verbindung zur heutigen Sterbehilfedebatte gezogen wurde. Desweiteren interessierten Argumentationslinien in ihrem zeithistorischen Kontext und die Verknüpfung mit Vorstellungen zum ärztlichen Berufsethos.
Die quantitative Auswertung der Artikel zeigte nach einem fast durchgängigen „Schweigen“ in der Nachkriegszeit eine vermehrte Präsenz der Sterbehilfethematik in den Siebzigern und eine dauerhafte Diskussion ab Mitte der neunziger Jahre. Inhaltlich fiel auf, dass sich mehrheitlich Repräsentanten der akademischen Elite äußerten und bis auf eine Ausnahme Stellung gegen die aktive Sterbehilfe bezogen. Eine wirkliche Debatte im Sinne eines Meinungsaustauschs fand sich seit den achtziger Jahren nur im Bereich der Leserbriefe. Argumentativ vollzog sich ein Wandel weg von religiös-moralischen Normen wie dem Fünften Gebot oder dem Hippokratischen Eid hin zu realitätsbezogenen Begründungen wie der Alternative der Palliativmedizin.