Seit 1950 sind etwa 4,5 Millionen Menschen als Aussiedler bzw. Spätaussiedler
nach Deutschland gekommen. Bis Ende der 1980er Jahre
dominierten dabei Polen und Rumänien als Herkunftsländer, seit 1990
die (ehemalige) Sowjetunion. Insbesondere seit 2006 ist ein starker
Rückgang der Zuzugszahlen zu beobachten. Durch die gesetzliche
Begrenzung der Spätaussiedlereigenschaft auf Personen, die bis Ende
1992 geboren wurden, ist in absehbarer Zeit mit einem Auslaufen dieser
Zuwanderungsform zu rechnen.
Im Jahr 2011 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa
3,2 Millionen (Spät-)Aussiedler und mit ihnen eingereiste Angehörige
im Bundesgebiet. Ihr Durchschnittsalter ist vergleichsweise hoch,
ebenso der Anteil der verheirateten Personen und von Personen mit
doppelter Staatsangehörigkeit. Fast drei Viertel der (Spät-)Aussiedler in
Deutschland wohnen in den vier Bundesländern Nordrhein-Westfalen,
Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen, weniger als fünf
Prozent in den neuen Bundesländern ohne Berlin
(Spät-)Aussiedler und ihre Nachkommen zeigen eine insgesamt relativ
vorteilhafte Struktur ihrer schulischen und beruflichen Qualifikationen.
Ein Schwerpunkt liegt dabei auf einfachen und mittleren Schulund
Berufsabschlüssen, während der Anteil der Abiturienten und
Akademiker etwas unterdurchschnittlich ausfällt. Hierbei spielen auch
Einflüsse des Bildungssystems der Herkunftsländer eine Rolle. Bei der
jüngeren Generation, insbesondere den Frauen, ist ein klarer Trend zu
höheren Bildungsabschlüssen zu verzeichnen.
(Spät-)Aussiedler sind in hohem Maße auf dem deutschen Arbeitsmarkt
aktiv. Ihre Erwerbs- bzw. Arbeitslosigkeit ist insgesamt verhältnismäßig
gering, scheint jedoch insbesondere ältere Menschen
und Personen ohne beruflichen Abschluss zu betreffen, aber auch
Akademiker, die Schwierigkeiten haben, ihr Qualifikationsniveau in
eine adäquate Beschäftigung umzusetzen. Die berufliche Stellung von
erwerbstätigen (Spät-)Aussiedlern, besonders der Männer, konzentriert sich stark auf Tätigkeiten als (Fach-)Arbeiter im produzierenden
Gewerbe. Unklar bleibt bisher das Ausmaß prekärer Beschäftigung in
Zeit- bzw. Leiharbeit. Selbständigkeit spielt eine geringere Rolle, wofür
sozialisationsbedingte Ursachen in Betracht kommen.
Die Einkommenssituation von (Spät-)Aussiedlern ist durch eine „mittlere“
Position geprägt, was ihren Bildungs- und Berufsqualifikationen
entspricht. Diese und ihre starke Erwerbsorientierung prägen auch die
Einkommensquellen: In hohem Maße wird der Lebensunterhalt durch
eigene Erwerbstätigkeit bzw. bei der älteren Generation durch Renten
bestritten. Allerdings zeigt sich auch, dass (Spät-)Aussiedler in nicht
unerheblichem Maße armutsgefährdet sind. Davon scheinen insbesondere
ältere Menschen und unter diesen wiederum Frauen und
nach 1990 zugewanderte Personen betroffen zu sein. Daneben gibt es
Hinweise, dass auch Kinder und Jugendliche aus (Spät-)Aussiedlerfamilien
verstärkt von Armut bedroht sind.
(Spät-)Aussiedler leben innerhalb ihrer regionalen Konzentration in
den großen Flächen-Bundesländern Westdeutschlands vielfach in
kleineren und mittleren Städten, weniger in großstädtischen Agglomerationen.
Daten zur innerstädtischen Segregation sind nur ungenügend
vorhanden, weisen jedoch auf einen eher durchschnittlichen bis
niedrigen Segregationsgrad hin. Es besteht eine erkennbare Neigung
zur Schaffung von Wohneigentum mit hoher Neubautätigkeit insbesondere
seit den 1990er Jahren. Der Anteil von (Spät-)Aussiedlern in
prekären Wohnverhältnissen – Sozialwohnungen oder sogar Wohnungslosigkeit
– scheint rückläufig zu sein.
(Spät-)Aussiedler weisen für die politische Partizipation in Deutschland
günstige Voraussetzungen auf, da sie im Regelfall rasch die
deutsche Staatsangehörigkeit und damit die vollen Beteiligungsrechte
erwerben. Die selbst zugewanderten Personen scheinen jedoch relativ
stark von Sozialisationserfahrungen in den Herkunftsländern geprägt
zu sein, die dazu führen, dass politisches Interesse und entsprechende
Aktivitäten in Deutschland eher gering ausfallen. Es besteht traditionell
eine starke Bindung an die Unionsparteien. Studien aus jüngerer
Zeit zeigen jedoch diesbezüglich Öffnungstendenzen.
Zum zivilgesellschaftlichen Engagement von (Spät-)Aussiedlern liegen
insgesamt sehr wenig belastbare Erkenntnisse vor. Ein solches Engagement
scheint überwiegend im sozialen Nahbereich, im Rahmen
landsmannschaftlicher Organisation sowie in religiösen Gemeinden
stattzufinden. Daneben sind (Spät-)Aussiedler auch im deutschen Vereinssport
vergleichsweise aktiv, was mit dem ursprünglich speziell für
sie geschaffenen Programm “Integration durch Sport” in Zusammenhang
steht.
Die Familie nimmt im sozialen Netzwerk von (Spät-)Aussiedlern eine
zentrale Rolle ein. Zwischen den Generationen scheinen tendenziell
stärkere Erwartungen an die Familienmitglieder und stärkere Verpflichtungsnormen
als bei Personen ohne Migrationshintergrund zu
bestehen. Die eigene Gruppe ist ein wichtiges Element im persönlichen
Netzwerk und auch Ehepartner/innen werden überwiegend
innerhalb dieses Kreises ausgewählt. (Spät-)Aussiedler berichten vergleichsweise
selten von Diskriminierungserfahrungen. Auffällig ist das
vergleichsweise hohe gegenseitige Misstrauen von (Spät-)Aussiedlern
und Personen türkischer Herkunft als den beiden größten Zuwanderergruppen
in Deutschland. usw.