Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Studie möchte den natürlichen Verlauf der Pontocerebellären Hypoplasie an einer möglichst großen, aber genetisch homogenen, Kohorte näher beschreiben, um neue Erkenntnisse insbesondere über die Entwicklung, das Wachstum und den Verlauf der Symptome zu vermitteln. Außerdem sollte untersucht werden, ob sich Kinder, die bereits pränatal durch ein Polyhydramnion, eine Mikrozephalie oder intrauterine Myoklonien auffällig wurden in Bezug auf den Krankheitsverlauf und die Entwicklung unterscheiden.
Die Datenerhebung erfolgte anhand eines Fragebogens, der in einem telefonischen Interview zusammen mit den Eltern der Betroffenen ausgefüllt und mit den medizinischen Akten abgeglichen wurde. Insgesamt konnten Daten von 33 Erkrankten (17 Jungen; 16 Mädchen) erhoben werden. In neun Fällen wurde die Datenerhebung post mortem durchgeführt. Das mediane Alter zum Zeitpunkt des Todes betrug 91 Monate. Der älteste Teilnehmer war 19,5 Jahre alt. Mit Ausnahme von 2 Kindern – Geschwisterkinder anderer erkrankter Studienteilnehmer mit typischer klinischer Symptomatik – war die Diagnose bei allen Teilnehmern molekulargenetisch gesichert, alle trugen die homozygote missense Mutation 919 G>T, p.Ala307S im TSEN 54 Gen.
Ein Polyhydramnion (4/33), eine Mikrozephalie des Feten (4/33) oder ein intrauterines Zittern bzw. Myoklonien (6/33) waren im Rahmen der Studie definierte spezifische Auffälligkeiten, die bei einer Schwangerschaft mit einem an PCH 2 erkrankten Kind auftreten können. Eine pränatale Diagnostik ist allerdings lediglich anhand einer molekulargenetischen Diagnostik zuverlässig möglich.
Bei der Geburt waren die Kinder nur selten mikrozephal (6/31), mit zunehmendem Alter entwickelten aber alle Betroffenen eine Mikrozephalie (11/11 ab einem Alter von 36 Monaten). Die Kinder fielen in der Neonatalperiode zumeist bereits durch Fütterschwierigkeiten (28/33), Irritabilität (21/33) und einen muskulären Hypertonus (16/33) auf. Atemprobleme waren ebenfalls ein häufiges Problem (11/33 in der Neonatalperiode), wobei eine maschinelle Beatmung nur selten notwendig war (2/33). Die teilweise gravierenden Fütterschwierigkeiten blieben zumeist ein Leben lang bestehen und erforderten häufig die Versorgung mit einer PEG-Sonde (21/33). Mit zunehmendem Alter entwickelten die meisten Kinder Krampfanfälle (26/31), die medikamentös nur schwer einzustellen waren. Am erfolgreichsten zeigten sich Phenobarbital und Topiramat. Des Weiteren litten viele Kinder (11/33) unter sogenannten dystonen Attacken, einer über Stunden anhaltenden c-förmigen Körperhaltung, die teilweise mit extremem Unwohlsein, Schreien und teilweise Erbrechen der Kinder einhergeht. Eine medikamentöse Beeinflussung war zumeist nicht möglich, in beinahe 50% der Fälle (5/11) verschwanden diese Attacken mit zunehmendem Alter wieder. Die häufig auftretende gastroösophageale Refluxerkrankung (23/29) machte häufig die Therapie mit Protonenpumpenhemmern oder eine Fundoplicatio notwendig. Bezüglich der Entwicklung verfügten viele Kinder (26/33) über eine kurzfristige Kopfkontrolle, auch das visuelle Fixieren und Verfolgen von Gegenständen war einigen möglich (26/33). Die Meilensteine des gezielten Greifens (8/33), des Gebrauchs spezifischer Worte (4/33) oder des freien Sitzens (3/33) wurden hingegen nur selten. Insgesamt wurden die angegebenen Entwicklungsschritte stark verzögert erreicht. Ob und wann ein an PCH 2 erkranktes Kind bestimmte Entwicklungsschritte erreicht, kann nur schwer vorhergesagt werden, insgesamt ist aber eine große individuelle Variabilität vorhanden, die unbedingt gefördert werden sollte. Hierbei profitieren die Kinder stark von spezifischen Therapien wie Ergo- oder Physiotherapie.
Die 10 Kinder, die in dieser Studie bereits pränatal auffällig wurden, unterschieden sich weder im Verlauf der Erkrankung noch in ihrer Entwicklung von den Kindern, die pränatal unauffällig waren. Anhand von Auffälligkeiten in der Schwangerschaft mit einem an PCH 2 erkrankten Kind, wie einem Polyhydramnion, einer Mikrozephalie oder intrauterinen Myoklonien, kann also keine Vorhersage über den Verlauf der Erkrankung gestellt werden.