Inhaltszusammenfassung:
Die molekularbiologischen Vorgänge in einer Zelle sind hochgradig dynamisch und können in subzellulären Kompartimenten lokalisiert sein. Cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP) ist ein ubiquitär vorkommendes Signalmolekül, das viele physiologische Prozesse beeinflusst. Die Biosynthese von cGMP erfolgt durch Guanylylcyclasen, welche durch NO oder bestimmte Peptide stimuliert werden. Der Abbau von cGMP und die Beendigung der damit verbundenen Signale erfolgt durch Phosphodiesterasen (PDEs), die cGMP zu GMP hydrolysieren. cGMP-Signale regulieren unter anderem die Relaxation glatter Muskelzellen, die Aggregation von Blutplättchen und die neuronale Entwicklung und Plastizität. Allerdings ist die räumlich-zeitliche in vivo-Dynamik von cGMP-Signalen größtenteils unbekannt. Mittels herkömmlicher Detektionsmethoden, wie z. B. Radioimmunassays oder Enzym-gekoppelten Immunassays, kann cGMP nicht in lebenden Zellen oder Organismen in Echtzeit verfolgt werden. Seit Kurzem stehen aber Sensorproteine zur Verfügung, die Veränderungen der cGMP-Konzentration anhand ihrer Fluoreszenzänderungen messbar machen. Diese Sensoren bieten eine hervorragende Möglichkeit, cGMP in lebenden Zellen in Echtzeit mit hoher räumlicher Auflösung „sichtbar“ zu machen und zu quantifizieren. Im Rahmen dieser Arbeit wurden sog. „cGMP-Sensor Knock-in“-Mauslinien erzeugt, die es ermöglichen cGMP-Signale in vivo zu visualisieren. Hierzu wurde eine durch Cre-Rekombinase aktivierbare Expressionskassette verwendet, über die der Fluoreszenz-Resonanzenergietransfer (FRET)-basierte cGMP-Sensor cGi500 (cGMP-Indikator mit einer EC50 von 500 nM für cGMP) unter Kontrolle des CAG-Promotors (cytomegalovirus early enhancer/chicken β-actin/β-globin) exprimiert wird. Das DNA-Konstrukt wurde mittels homologer Rekombination in embryonalen Stammzellen in den murinen Rosa26-Genlocus integriert. Je nachdem welche Strategie zur Aktivierung der Sensorexpression verwendet wurde, zeigten die Mäuse entweder eine allgemeine oder eine gewebespezifische Expression des Sensors, welche die Untersuchung von cGMP-Signalen in vivo ermöglichte. Durch Kreuzung der Knock-in-Mäuse mit einer Purkinjezell-spezifischen Cre-Mauslinie (L7-Cre) konnten Mäuse generiert werden, welche den cGi500-Sensor spezifisch in den Purkinjezellen des Cerebellums exprimieren. In der ubiquitär exprimierenden Mauslinie konnte der Sensor in verschiedenen Geweben und Zelltypen nachgewiesen werden. Eine starke und einheitliche Expression des Sensors konnte z. B. in Glattmuskelzellen, Blutplättchen und Neuronen nachgewiesen werden, nachdem diese Zellen als primäre Zellkulturen aus dieser Mauslinie gewonnen worden waren. Mit Hilfe dieser neuen cGMP-Sensormauslinien können cGMP-Signale nun nicht nur in vielen Zell- und Gewebetypen, sondern erstmals auch in lebenden Säugetieren gemessen werden. In der vorliegenden Arbeit konnten cGMP-Signale erfolgreich in Echtzeit und mit subzellulärer Auflösung visualisiert werden. Es ist zwar bekannt, dass der cGMP-Signalweg die Bifurkation von Axonen der Neurone in Hinterwurzelganglien (DRGs, engl.: “dorsal root ganglion“) während der Embryonalentwicklung reguliert, aber der zugrunde liegende molekulare Mechanismus ist nicht vollständig geklärt. Die in dieser Arbeit durchgeführten FRET-Untersuchungen von lebenden embryonalen DRG-Neuronen zeigten, dass nur das natriuretische Peptid Typ C (CNP, engl.: “C-type natriuretic peptide“), nicht aber das atriale natriuretische Peptid (ANP) oder NO, die Bildung von cGMP stimulierte. Der Abbau von cGMP erfolgte in diesen Neuronen hauptsächlich durch PDE1 und PDE2. Die lokale Applikation von CNP am Wachstumskegel der embryonalen DRG-Neurone führte zu einer lokal begrenzten Produktion von cGMP, was darauf hindeutete, dass der Wachstumskegel cGMP-Signale unabhängig vom Soma der Zelle generieren kann. Diese lokale Erhöhung von cGMP könnte eine wichtige Rolle in der Wegfindung und Verzweigung der Axone der DRG-Neurone spielen, wenn diese während der Embryonalentwicklung in die Eintrittszone des Wirbelkanals vordringen. Im letzten Teil der Arbeit wurden cGMP-Signale in murinen Blutplättchen untersucht, welche ein klinisch relevantes Modell für die Wirkung von cGMP-erhöhenden Pharmaka darstellen. cGMP-FRET-Versuche mit adhärenten Blutplättchen in einer Flusskammer zeigten, dass cGMP nach Applikation von NO, nicht aber nach ANP- oder CNP-Gabe, erhöht wurde, und dass die PDE2, PDE3 und PDE5 zum Abbau des NO-induzierten cGMPs beitrugen. Diese Daten bestätigten frühere Untersuchungen zum cGMP-Signalweg in Blutplättchen. Die Gabe von NO-freisetzenden Substanzen bewirkte einen schnellen und anhaltenden cGMP-Anstieg. Überraschenderweise führte eine Verringerung der Flussrate während der cGMP-Plateauphase zu einem schnellen Abfall der intrazellulären cGMP-Konzentration, was darauf hindeutete, dass die NO-induzierten cGMP-Signale durch Scherkräfte reguliert werden. Durch die gleichzeitige Messung von cGMP und Ca2+ konnte gezeigt werden, dass sich die Konzentrationen dieser sog. zweiten Botenstoffe (engl.: “second messenger“) gegenläufig verhalten. In Anwesenheit von NO führte die Scherbeanspruchung zu einem Anstieg von cGMP, dem ein Abfall des aggregationsunterstützenden Ca2+-Signals folgte. Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Scherbeanspruchung als physikalischer Antikoagulationsfaktor die Plättchenaggregation reguliert. Dieser neu entdeckte Mechanismus der Scherkraft-abhängigen Regulation des NO/cGMP-Signalwegs könnte in vivo eine wichtige Rolle in der Hämostase und Thromboseentstehung spielen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die im Rahmen dieser Arbeit generierten und charakterisierten cGMP-Sensor Knock-in-Mauslinien den großen Vorteil bieten, dass nun cGMP-Signale und damit verbundene biologische Vorgänge in vivo und in Echtzeit untersucht werden können. In Kombination mit neuen Methoden wie der Intravitalmikroskopie, und zusammen mit anderen genetischen Mausmodellen, sollten diese Mauslinien ein breites Anwendungsspektrum haben, um cGMP-abhängige Mechanismen unter physiologischen und pathophysiologischen Bedingungen weiter aufzuklären.
Abstract:
Molecular events in cells are highly dynamic and can occur locally in subcellular domains or compartments. Cyclic guanosine monophosphate (cGMP) is a ubiquitous molecule modulating a wide range of physiological processes. It is generated by guanylyl cyclases which are activated by NO or certain peptides. Phosphodiesterases (PDEs) degrade cGMP by hydrolyzing it to GMP, thereby deactivating cGMP-dependent pathways. Among other functions, cGMP regulates smooth muscle relaxation, platelet aggregation, and neuronal development and plasticity. However, the spatiotemporal dynamics of cGMP in vivo is largely unknown. Conventional methods for cGMP detection, such as radioimmunoassays or enzyme-linked immunosorbent assays are not able to monitor cGMP signals in real time in live cells or organisms. The recent development of sensor proteins, which detect cGMP via changes in fluorescence offers a great opportunity to visualize and quantify cGMP in real time and in intact living cells with high spatiotemporal resolution. In this work, so-called cGMP sensor knock-in mice were generated to enable the visualization of cGMP signals in vivo. A Cre recombinase-activatable expression cassette of the fluorescence resonance energy transfer (FRET)-based cGi500 sensor (cGMP indicator with an EC50 value for cGMP of 500 nM) driven by the cytomegalovirus early enhancer/chicken β-actin/β-globin (CAG) promoter was integrated into the murine Rosa26 locus by homologous recombination in embryonic stem cells. Depending on the strategy to activate sensor expression, these mice showed either ubiquitous or tissue-specific sensor expression allowing for delineation of cGMP signaling in vivo. Upon crossbreeding with Purkinje cell-specific Cre (L7-Cre) mice, these sensor knock-in mice exhibited tissue-specific expression of cGi500 in Purkinje cells in the cerebellum. In the ubiquitously expressing mouse line, global cGi500 expression was demonstrated in various tissues and cell types. Primary cells, such as smooth muscle cells, platelets, or neurons isolated from the transgenic cGMP sensor mice confirmed strong and uniform sensor fluorescence. These new mouse lines allowed to robustly measure cGMP not only in multiple cell types and tissues, but also for the first time in living mammals. In the present study, cGMP signals were also successfully visualized in real time with subcellular resolution. It is well known that the cGMP signaling pathway regulates axonal bifurcation in dorsal root ganglion (DRG) neurons during embryonic development, but the underlying molecular mechanism is not completely understood. FRET experiments in live embryonic DRG neurons showed that only C-type natriuretic peptide (CNP) but not atrial natriuretic peptide (ANP) or NO stimulated cGMP generation. PDE1 and PDE2 were mainly responsible for cGMP degradation in these neurons. Local application of CNP to growth cones of embryonic DRG neurons increased cGMP only locally, indicating that cGMP can be generated in the growth cone independently of the soma. Local cGMP elevation may be critical for DRG sensory axon pathfinding and branching when they grow into the dorsal root entry zone of the spinal cord during embryonic development. In the last part of this work, cGMP signals were studied in murine platelets, which represent a clinically important model for the action of cGMP-elevating antithrombotic drugs. cGMP FRET experiments with adherent platelets in a flow chamber showed that cGMP was elevated in response to NO but not ANP or CNP, and that PDE2, PDE3 and PDE5 contributed to the degradation of NO-induced cGMP. These data are in line with previous studies of cGMP signaling in platelets. Application of NO-releasing compounds led to a fast increase of cGMP followed by a sustained cGMP level. Surprisingly, reduction of the flow rate during this plateau resulted in a rapid decrease of the intracellular cGMP concentration, indicating that NO-induced cGMP in platelets was regulated by shear stress. Simultaneous measurements of cGMP and Ca2+ revealed that the concentration of these two second messengers had an inverse relationship. In the presence of NO, shear stress resulted in an increase of cGMP followed by a decrease of procoagulant Ca2+ signals. These findings suggest that shear stress functions as an anticoagulant physical factor in regulating platelet aggregation. This newly discovered shear stress-regulated NO/cGMP signaling pathway might play important roles in hemostasis and thrombosis in vivo. In summary, the cGMP sensor knock-in mice generated and characterized in this work offer the unique advantage of imaging cGMP and associated biological events in real time in vivo. In combination with advanced microscopic techniques, such as intravital microscopy, and other genetic mouse models, these mouse lines should find widespread applications in elucidating cGMP-associated mechanisms under both physiological and pathophysiological conditions.