Inhaltszusammenfassung:
Im Zuge des Aufbaus und der Organisierung in einer Kooperative der Solidarischen Ökonomie setzt bei vielen Frauen ein Prozess des „Aufwachens“ ein: Sie erlangen neues Selbstbewusstsein, beginnen sich politisch zu engagieren und erlangen Sichtbarkeit in Räumen, von denen sie zuvor ausgeschlossen waren. Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, inwiefern Solidarische Ökonomie Potential bietet, Prozesse des Empowerments bei marginalisierten Frauen in Gang zu setzen. Im Fokus steht dabei das "Rede de Mulheres Empreendedoras", ein Netzwerk aus verschiedenen Frauenkooperativen in Rio de Janeiro.
Ursprünglich von Frauenbewegungen aus dem Süden mit einer Kritik an den konventionellen Gender-Ansätzen in den Entwicklungstheorien und an den Machtasymmetrien in der Entwicklungspraxis hervorgebracht, ist Empowerment inzwischen zu einem entwicklungspolitischen Modewort geworden, das nahezu inflationär verwendet wird. In der Arbeit wird dem „rootconcept“ von Empowerment – Macht – auf den Grund gegangen und analysiert, wie Empowerment einerseits in den Entwicklungstheorien und (postkolonialen) feministischen Studien und zum anderen in Ländern des globalen Südens wie Indien und Brasilien rezipiert wird. Ausgehend von einer Darstellung der Entstehungsbedingungen und Landschaft der Solidarischen Ökonomie in Brasilien soll aus dem Blickwinkel einer intersektionalen Analyse der Kontext von Frauen in Favelas in Bezug auf dominante Exklusionsmechanismen untersucht werden; auf Basis von ExpertInneninterviews und Teilnehmender Beobachtung wurde in der Fallstudie inspiriert von der Grounded Theory ein Ansatz angewandt, um auf induktive Weise Prozesselemente des Empowerment in den Aussagen der ArbeiterInnen zu identifizieren und mit den theoretischen Konzepten in Relation zu setzen. Mit diesem Vorgehen konnten vier Hypothesen ausgearbeitet werden, die Erklärungen dafür anbieten, inwiefern die Selbstorganisationsprozesse in der Soldarischen Ökonomie zu Empowerment in einer ökonomischen, personalen, soziopolitischen und räumlichen Dimension führen können. Einer der zentralen Befunde der Studie besteht in der räumlichen Dimension von Empowerment. So bietet Solidarische Ökonomie durch die Kreation intermediärer Sphären Potential zum Überschreiten von traditionell den Frauen zugedachten Rollen und Räumen und verleiht ihnen Sichtbarkeit und eine Stimme im öffentlichen Raum. Empowerment ist jedoch kein Automatismus – die Fallanalyse reflektiert daher über die Relevanz der Rahmenbedingungen, die für die Entfaltung von Empowermentprozessen förderlich und hinderlich sind, und stellt zudem die Frage, welche Rückschlüsse sich daraus für hiesige Breitengrade in Anbetracht zunehmender wirtschaftlicher Krisen und unsicherer Existenzen ziehen lassen können?
Abstract:
The process of establishing and organizing a cooperative of Solidarity Economy is for many woman like a “wake-up call”: They rebuild their self-esteem, become politically active, and reach visibility in places where they have been excluded before. The aim of this study is to discover, to what extent the Solidarity Economy has the potential to start a process of empowerment by marginalized women. The investigation’s focus will be on the experiences of women of various cooperatives which are organized in the network "Rede de Mulheres Empreendedoras" in Rio de Janeiro.
Originally brought up by women movements of the South, as a critism of the conventional gender concepts in Development Theory and of the power asymmetries in the development projects, “empowerment” has become a “buzz word” and is used almost inflationary in divergent contexts. This study tries to uncover the origins of the concept, the “rootconcept” of empowerment – power – and analyses how the term is discussed in Development Theory and Gender Studies as well as in countries of the global South like Brazil or India. Based on a portrait of the formation process and actual landscape of Solidarity Economy in Brazil, this study takes up an intersectional perspective to analyze the context of women in favelas, which is marked by multidimensional mechanisms of exclusion. By means of expert interviews and participatory observation methods, this study applied an approach inspired by Grounded Theory to find out signs of empowerment elements in the quotations of the women of the network, and to interrelate them to the relevant theoretical concepts. This inductive proceeding enabled the formulation of four hypotheses that offer causal explanations of why the processes of auto-organization in the Solidarity Economy can facilitate empowerment in economic, personal, sociopolitical and spatial dimensions. The central finding of this study consists in the spatial dimension of empowerment: the Solidarity Economy fosters the creation of intermediate spaces which have the potential to transgress rooms and rolemodels traditionally associated with women, they gain more visibility and voice in public spaces. However, empowerment doesn’t work automatically – the evaluating analysis reflects on the the relevance of the frame conditions of beneficial and hindering factors for the flourishing of empowerment processes. Finally, the question will be addressed what these findings could contribute to constructive dealing with the fragile economic circumstances and the increasingly insecure livelihoods in the northern hemisphere?