Inhaltszusammenfassung:
Dem Koagulationsszenario der Planetenentstehung zufolge entstehen Planeten durch sukzessive Kollisionen in protoplanetaren Scheiben beginnend mit mikrometergroßen Staubkörnern. Dabei kann man drei Phasen unterscheiden: Anfangs haften die Staubkörner durch van-der-Waals Kräfte nach einem Zusammenstoß. Als Resultat entstehen millimetergroße, hochporöse Staubaggregate. Im zweiten Größenschritt, der von einigen Millimetern bis hin zu Kilometern reicht, bezeichnet man die Staubaggregate als Präplanetesimale. Diesem problematischen Schritt widmet sich die vorliegende Arbeit. Das Wachstum von Präplanetesimalen ist einerseits durch Kollisionen bedroht, in denen die Aggregate zerstört werden (Fragemtationsbarriere), und andererseits angehalten bei Größen von einigen Zentimetern durch Aggregatverdichtung und daraus folgendem gegenseitigen Abprallen (Abprallbarriere). Der Haftmechanismus im Größenbereich der Präplanetesimale ist unbekannt. Die nähere Untersuchung dieses zweiten Größenschritts mittels globalen Staubkoagulationssimulationen gestaltet sich schwierig, denn die nötigen Daten von Präplanetesimalkollisionen stehen nicht zur Verfügung und Laborexperimente, um diese zu gewinnen, sind jenseits von Größen von einigen Zentimetern nicht realisierbar. Hat sich jedoch eine ausreichende Population von kilometergroßen Planetesimalen gebildet, ist die Entstehung von Planeten durch den Mechanismus der gravitationsverstärkten Akkretion im dritten Wachstumsschritt sichergestellt.
Da Laborexperimente mit großen Präplanetesimalen schwer durchzuführen sind, wird in der vorliegenden Arbeit ein numerisches Modell für die realistische Simulation des porösen Materials entwickelt, aus dem Präplanetesimale bestehen. Dieses Modell wird mit Hilfe von Labortestexperimenten sorgfältig kalibiert. Als numerische Methode wird Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) mit Erweiterungen für die Simulation von Festkörpern verwendet. Ein bestehendes Porositätsmodell wird durch realistischere Materialgleichungen, eine verbesserte Behandlung von Zugkräften und ein Schadensmodell erweitert, das auf der Inhomogenität von Staubaggregaten beruht. Das Endergebnis der Kalibrierung ist das gegenwärtig einzige numerische Modell, das Verdichtung, Fragmentierung und gegenseitiges Abprallen von Staubaggregaten aus Quarz quantitativ reproduzieren kann. Zusätzlich wurden Materialbeziehungen gewonnen, die im Experiment schwer messbar sind, wie etwa die dynamische Kompressions- und Scherfestigkeit sowie das Kompressionsmodul.
In dieser Arbeit wird zudem das Four-Population Modell als neues Klassifikationsschema für Präplanetesimalkollisionen vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein Format zum Austausch von Kollisionsdaten, das zum einen genau genug ist, um jegliche Kombination von Haftungs-, Abprall- und Fragmentierungsprozessen in Präplanetesimalkollisionen abzubilden, und andererseits aber auch einfach genug ist, um in globale Staubkoagulationsmodelle implementiert zu werden. In diesem Modell werden nach ihrer Masse unterschieden: das größte und zweitgrößte Fragment, eine Fragmentklasse, deren Massenverteilung durch ein Exponentialgesetz dargestellt wird, und eine Klasse für die numerische Auflösungsgrenze.
Als Anwendung des kalibrierten numerischen Porositätsmodells untersucht diese Arbeit den Einfluss von kompakten Schalen von Staubaggregaten auf das Auftreten von gegenseitigem Abprallen. Es wird gezeigt, dass das Vorhandensein von kompakten Schalen nur bei niedrigen Geschwindigkeiten zum Abprallen führt. Die Wahrscheinlichkeit von gegenseitigem Abprallen in derzeitigen Kollisionsstatistiken könnte durch experimentelle Artefakte überschätzt sein, die auf das Vorhandensein von kompakten Schalen zurückzuführen sind. Folglich könnte gegenseitiges Abprallen weniger bedrohlich für die Planetenentstehung sein als bisher angenommen.
Nach mehreren Stößen in einer protoplanetaren Scheibe weisen die Präplanetesimale eine Kollisionsgeschichte auf und sind daher sehr wahrscheinlich inhomogen. Mit Hilfe des Inhomogenitätsschadensmodells wird gezeigt, dass inhomogene Präplanetesimale fragiler sind als ihre homogenen Äquivalente. Je höher der Inhomogenitätsgrad ist, desto kleiner sind die Fragmente nach einer fragmentierenden Kollision.
Als Hauptanwendung des numerischen Porositätsmodells wird ein Datensatz von Kollisionen zwischen homogenen Präplanetesimalen mit niedriger, mittlerer und hoher Porosität vorgestellt. Es wird gezeigt, dass die Grenzgeschwindigkeiten für Abprallen und Fragmentierung von der Porosität der Objekte und deren Größe abhängen, was in derzeitigen Untersuchungen von Planetesimalentstehung oft vernachlässigt wird.
Abstract:
In the coagulation scenario of planet formation, planets are assembled by subsequent collisions starting from micron sized dust grains in protoplanetary discs. Three stages can be distinguished: firstly, the dust grains stick by van-der-Waals forces after collision. Millimetre-sized, highly porous dust aggregates are produced as a result. In the second growth step, from millimetre to kilometre size, the dust aggregates are referred to as pre-planetesimals. This step is problematic and addressed in the thesis at hand: pre-planetesimal growth is endangered by disruptive collisions (fragmentation barrier) and may be halted at centimetre sizes by compaction and consequential rebound (bouncing barrier). The sticking mechanism in the pre-planetesimal regime is unknown. The investigation of the second step in global dust coagulation models is difficult since data on the outcome of pre-planetesimal collisions are missing and laboratory experiments on these are infeasible beyond centimetre size. However, once a sufficient population of kilometre-sized planetesimals has formed, planet formation is ensured by gravity-aided accretion in the third growth step.
Since laboratory experiments with large pre-planetesimals are hard to carry out, in this thesis a realistic numerical model for the simulation of porous pre-planetesimal material is developed and thoroughly calibrated with by means of laboratory benchmark experiments. Smoothed particle hydrodynamics (SPH) is adopted as a numerical method together with extensions for the simulation of solid media. A preexisting porosity model is enhanced by more realistic material equations, an improved treatment of tensile forces and a damage model based on the inhomogeneity of dust aggregates. As a result, the calibration process yields the only numerical model currently available, which can reproduce compaction, fragmentation, and bouncing of \sio dust aggregates quantitatively correct. Additionally, material relations, which are hard to measure in the laboratory, such as the dynamic compressive and shear strength as well as the bulk modulus are determined.
The four-population model is presented in this thesis as a new classification scheme for pre-planetesimal collisions. This is a collision data transfer format accurate enough to capture all combinations of sticking, bouncing, and fragmentation processes in pre-planetesimal collisions and at the same time simple enough to be implemented in dust coagulation models. It distinguishes between the largest and second largest fragment, a fragment class whose mass distribution is modelled by a power-law, and a class which indicates the limit of the numerical resolution.
As an application of the calibrated numerical porosity model this thesis investigates the influence of hard shells of dust aggregates on the occurrence of bouncing collisions. It is shown that hard shells lead to bouncing events only for low collision velocities. The probability of bouncing events might be overestimated by current collision statistics due to experimental artefacts involving hard shells. As a consequence, bouncing might be less dangerous for planet formation than currently assumed.
After several collisions in a protoplanetary disc, pre-planetesimals feature a collisional history and thus are very likely to be inhomogeneous. By means of the inhomogeneity damage model it is shown, that inhomogeneous pre-planetesimals are weaker than their homogeneous equivalents. The larger the degree of inhomogeneity the smaller are the fragments in a fragmenting collision.
As major application of the numerical porosity model a large set data set of the outcomes of collisions between homogeneous aggregates of low, medium, and high porosity is presented. It is shown, that the threshold velocities for bouncing and fragmentation depend on the object porosity and object size, which are both often neglected in current investigations of planetesimal formation.