Inhaltszusammenfassung:
Betrachtet man das Innere einer Zelle auf der Nanometerskala, so offenbart sich eine immense Vielfalt aus Molekülen unterschiedlicher Form und Größe, die sich auf engsten Raum in einer wässrigen Lösung drängeln. Unter ihnen spielen Proteine eine herausragende Rolle, da sie für die Zelle und den damit verbundenen Organismus lebenswichtige biologische Funktionen erfüllen. Proteine sind bemerkenswerte kleine molekulare Maschinen, die sich aus einem Repertoire von 20 Aminosäuren zusammensetzen. In einer wässrigen Umgebung faltet sich ein Protein in eine charakteristische dreidimensionale Struktur, die durch die Sequenz der Aminosäuren bestimmt wird. Diese sogenannte native Struktur zeichnet sich dadurch aus, dass sich hydrophobe Aminosäuren im inneren des Proteins befinden. Umgekehrt sind die hydrophilen Aminosäuren auf der dem Wasser zugewandten Oberfläche lokalisiert. Proteine werden als weiche Materie betrachtet und weisen eine interne Dynamik auf unterschiedlichen Längen- und Zeitskalen auf. Dazu zählen unter anderem die Fluktuation der Atome, die Reorientierung von Seitenketten und die Bewegung kompletter Proteindomänen. Diese Art von interner Bewegung kann man mittels einer totalen mittleren Bewegungsamplitude quantifizieren. Erhöht man die Temperatur hinreichend, dann entfaltet sich das Protein in eine “Random Coil” einhergehend mit dem Verlust der biologischen Funktion. Die Funktion als Kriterium nehmend, kann man zwei Klassen von Proteinen unterscheiden: Proteine, die in der Zellmembran eingebaut sind und solche, die in der intra- und extrazellulären Umgebung frei vorkommen. In dieser Arbeit konzentrieren wie uns auf die zuletzt genannte Kategorie. Diese sind häufig globuläre Proteine, die zahlreiche für den Organismus essentielle Aufgaben ausführen. Dazu zählt etwa: der Transport kleiner Moleküle, die Transmission von Signalen, um biologische Prozesse zu regulieren, und die Katalyse organischer Reaktionen. Als Beispiel führen wir Serum Albumin auf. Dieses kann mitunter kleine Moleküle wie Fettsäuren oder Arzneimittel im Blutstrom transportieren. Die Wichtigkeit der Transportprozesse motiviert die Frage: Wie bewegen sich Moleküle innerhalb und außerhalb der Zelle und wie wird diese Bewegung insbesondere durch das Vorhandensein von Molekülen und Ionen in der Zelle beeinflusst? Proteine existieren in einer “Welt der kleinen Reynolds - Zahlen”, mit anderen Worten in einer Umgebung, in welcher das Verhältnis zwischen Trägheit und Viskosität sehr klein ist. Proteine bewegen und reorientieren sich daher thermisch durch eine enorme Anzahl an Kollisionen mit den sie umgebenen Wassermolekülen. Diese sogenannte Translations- beziehungsweise Rotationsdiffusion führt zu einer mittleren quadratischen Verschiebung der Anfangsposition und Winkelabweichung der Orientierung des Proteins abhängig von der verstrichenen Zeit, der Viskosität des Lösungsmittels und der Größe und Form des Proteins. In einem vereinfachten Bild dargestellt, operiert die Zelle durch die Bewegung von Proteinen in einer hochkonzentrierten wässrigen Lösung. Wir können daher annehmen, dass sich die Funktion von Proteinen nur verstehen lässt, wenn man deren Dynamik – sowohl interne Moden als auch Rotations – und Translationsdiffusion – und Interaktion mit Ionen, Wassermolekülen und Proteinen einbezieht. Es ist daher das Ziel dieser Arbeit, die Dynamik und Struktur einer Lösung von Proteinen unter biologisch relevanten Bedingungen zu untersuchen. Um dieses Ziel zu erreichen, modellieren wir die intrazelluläre Umgebung durch ein vereinfachtes in vitro System, welches durch Umgebungsparameter wie den Proteinvolumenanteil, die ionische Stärke der Lösung und die Temperatur kontrolliert wird. Dabei soll der zu untersuchende Temperaturbereich auch den Denaturierungsübergang umfassen. Konkret wollen wir in dieser Arbeit die folgenden Punkte behandeln: Erstens wollen wir die Mobilität eines globulären Proteins in Abhängigkeit von der Proteinkonzentration untersuchen. Ergänzend, wollen wir die Gleichgewichtstruktur der Lösung studieren. Das Ziel ist es, die folgenden zwei Fragen zu beantworten: Wie konzentriert muss eine Proteinlösung sein, damit die “räumliche Beengtheit” der Moleküle das Diffusionsverhalten signifikant beeinflusst? Ist es unter Zuhilfenahme etablierter Kolloidmodelle möglich, die zu messende Diffusionskonstante vorherzusagen?
Zweitens wollen wir die Dynamik eines Proteins in der Umgebung des temperaturinduzierten Denaturierungsüberganges studieren und gegebenenfalls neue analytische Verfahren zur Bestimmung der internen diffusiven Moden entwickeln. Drittens ist ein wichtiges Charakteristikum der natürlichen Umgebung das Vorhandensein von Ionen. Wir wollen daher untersuchen, wie die ionischen Stärke und die Valenz der Ionen die Dynamik eines Proteins in Lösung beeinflusst.
Abstract:
Proteins are molecular machines crucial for the function of living cells. Some proteins occur in the cell membrane, whilst others, in particular globular proteins, occur freely in the extra- and intracellular environment. These globular proteins carry out their biological function in an environment filled with both other molecules of a multitude of shapes and sizes and ions. Such a highly concentrated solution is termed “crowded”. Macromolecular crowding plays an important role for processes involving volume-change such as thermal unfolding and those including particularly protein diffusion as a limiting or driving factor.
In the present thesis we investigate the dynamics and structural properties of a crowded aqueous solution of a model globular protein, namely bovine serum albumin, depending on several environmental parameters such as the protein volume fraction, the ionic strength of the solution, and the temperature including in particular the denaturing transition. The motivation is to understand proteins under biologically relevant conditions by, inter alia utilizing knowledge and methods established in soft matter macromolecular research. To this end, we employ cold neutron high-resolution backscattering spectroscopy to record quasi-elastic and elastic signals. Using this technique we retrieve the short- time self-diffusion coefficient and the total mean-squared displacement of the protein in solution. Moreover, we determine the short-time self-diffusion from relaxation rates using cold neutron spin-echo spectroscopy. Complementary, we investigate the suspension structure and the shape of the proteins in solution using small-angle X-ray scattering. We find that the short-time self-diffusion strongly decreases with increasing protein volume fraction. Furthermore, we show that the short-time self-diffusion can be accurately modeled with effective colloid hard-spheres, underlining the importance of hydrodynamic interactions under the condition of crowding. For the presence of salt ions in solution we observe two effects: The addition of a monovalent salt has little or no effect on the short-time self-diffusion. By contrast, the addition of a multivalent salt can induce a charge inversion of the protein. We observe that if the salt concentration is in the vicinity to the critical point, where the net surface charge of the protein is zero, the suspension structure contains local inhomogeneities, causing a reduction of the short-time self-diffusion. Studying the temperature behaviour below and above the denaturing, we observe that the total mean-squared displacement increases monotonically with temperature, but at the denaturing transition it decreases strongly. This observation can be rationalized and quantitatively modeled as a transition from a liquid protein solution to a gel-like state.