Inhaltszusammenfassung:
Das Reizdarmsyndrom (RDS) gehört zu den häufigsten gastrointestinalen Erkrankungen der westlichen Bevölkerung. Neben Störungen der motorischen Funktionen des Darms, des enterischen Nervensystems und einer erhöhten Sensitivität intestinaler Afferenzen sind inflammatorische Prozesse und in diesem Zusammenhang reaktive Sauerstoffspezies wichtige Aspekte der multifaktoriellen Pathogenese.
Ein in der Therapie des RDS gut etabliertes Arzneimittel ist STW 5 (Iberogast), das in dieser Arbeit zum einen auf radikalfangende bzw. antioxidative, zum anderen auf kontraktionsmodulierende Effekte hin untersucht werden sollte.
Da es derzeit noch kein valides in vitro Modell für das RDS gibt, sollte zunächst ein solches für intestinalen oxidativen Stress entwickelt werden. Dabei zeigte sich, dass die ileale Darmwand per se nur eine minimale, durch Luminol-verstärkte Chemilumineszenz messbare Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) aufwies, die bei intakten Präparaten nicht urch Histamin stimulierbar war. Wurde allerdings die Darmwand weiter in die verschiedenen Schichten disseziert, so war vor allem in der Tela submucosa in Gegenwart von Histamin eine dosisabhängige Steigerung der Radikalproduktion zu finden.
Die weitere Charakterisierung ergab, dass diese Radikalproduktion durch das Antioxidans Trolox sowie den H3-Rezeptorantagonisten Clobenpropit dosisabhängig gehemmt werden konnte. Entsprechende Kontrollmessungen legen nahe, dass die Radikalbildung intrazellulär erfolgte, neuronale Tätigkeit oder potentialgesteuerte Kanäle waren nicht beteiligt.
Bei der Frage nach der Quelle für die reaktiven Sauerstoffspezies standen Leukozyten im Fokus. Durch immunohistochemische Markierungen der Oberflächenproteine CD4, CD8, CD31 und CD68 sollte Aufschluss über ihre Identität und Verteilung in der Submucosa des Ileums gegeben werden. Im Gegensatz zu intakten Ileumpräparaten war die Nachweisreaktion in Präparaten der isolierten Tela submucosa jedoch negativ. Zur Definition der Radikalquelle sind also weiterführende Untersuchungen notwendig.
An diesem Modell sollten STW 5 und seine Einzelextrakte auf ihre antioxidativen Eigenschaften untersucht werden.
Es zeigte sich, dass alle Extrakte sowie die Mischung STW 5 die Radikalproduktion konzentrationsabhängig verringern konnten; besonders stark wirkten Pfefferminz-, Kamillen- und Melissenextrakt. Zusätzlich wurde der in der Pharmakognosie wichtigen Frage nachgegangen, inwieweit einzelne Inhaltsstoffe für die Wirkung eines Extraktes verantwortlich sein können. Potenteste radikalfangende Substanzen waren Kaffeesäure sowie Chlorogensäure und Rosmarinsäure, die bereits in sehr geringen Konzentrationen die Radikalgeneration abschwächen konnten. Bisabolol aus Kamillenextrakt zeigte keine antioxidativen Eigenschaften.
Neben der Untersuchung der antioxidativen Eigenschaften der pflanzlichen Extrakte sollte in einer zweiten Versuchsreihe geklärt werden, inwieweit auch Effekte auf eine gestörte Motilität zu finden sind. Dazu wurden im Organbad, das unter isometrischen Bedingungen die Messung der Kontraktionskräfte von Darmpräparaten erlaubt, die möglichen Auswirkungen auf durch Kaliumchlorid-Depolarisation bzw. Applikation einer erhöhten Acetylcholin-Konzentration im Vergleich zur Spontanrhythmik erfasst.
Ausgehend von dem schon früher erhobenen Befund, dass STW 5 die Spontanrhythmik hemmt und damit spasmolytisch wirkt, konnte dieser Effekt zunächst bestätigt werden, allerdings wurden hier die eingesetzten Konzentrationen der Einzelextrakte dem tatsächlichen Mischungsverhältnis in STW 5 angepasst, d.h. entsprechend verringert. Selbst unter diesen Bedingungen zeigten neben STW 5 auch Pfefferminz, Mariendistel und Süßholz hemmende Wirkung.
Ausgewählte Inhaltsstoffe der verschiedenen Extrakte verminderten in pharmakologischen Konzentrationen die Amplitude der Spontanmotilität lediglich tendenziell.
Die Stimulation der Darmwand mit 90 mM Kaliumchlorid-Tyrode-Lösung führte zu tonischen Kontraktionen, wobei sich die Kontraktionskraft nach einem initialen phasischen Peak auf einem verminderten Plateau einpendelte.
Die Effekte von STW 5 und seinen Einzelextrakten zeigten sich vor allem in einer Verminderung der Peakhöhe, wobei STW 5, Pfefferminz und Angelika am stärksten wirksam waren. Von den untersuchten Einzelsubstanzen waren Kämpferol und Bisabolol hemmend wirksam, sowie das zum Vergleich eingesetzte N-Butylscopolamin (10 µM).
In der zweiten Versuchsreihe, bei der die Ileumpräparate mit 100 µM Acetylcholin stimuliert wurden, zeigte sich, dass STW 5 und Butylscopolamin tendenziell kontraktionshemmend wirkten, die Einzelextrakte dagegen keine signifikanten Effekte aufwiesen.
Generell belegen die Befunde der vorliegenden Arbeit, dass Phytotherapeutika vielfältige pharmakologische Optionen aufweisen und daher in der Therapie multifaktorieller Erkrankungen gut geeignet sind.
Abstract:
Irritable bowel syndrome (IBS) is defined as a functional disorder which symptoms are mainly due to changes in gastrointestinal motility and secretion as well as disturbed neuronal transmission and hypersensitivity. Inflammatory processes and therefore oxidative stress seem to be involved in the pathogenesis.
As a model for oxidative stress in IBS, we found that stimulation with histamine of tela submucosa preparations from mouse ileum led dose-dependently to generation of free reactive oxygen radicals, neither the intact wall of the ileum nor the pure mucosa or the muscle layer showed a similar reaction.
This increase in radical production was inhibited by 0.01 µM concentration of the H3 histamine receptor antagonist clobenpropit, the antioxidant Trolox and the herbal remedy STW 5 and its compounds, mainly extracts from peppermint, lemon balm and chamomile.
To reveal the origin of radical production within the tissue specimen, different types of leucocytes were stained by immunohistochemical techniques, but they could be detected only in native preparations.
In order to study spasmolytical effects of STW 5 and its constituent extracts, these were applied in an organ bath to intact ring preparations of mouse ileum stimulated to tonic contractions by KCl-induced depolarization as well as by high concentrations of acetylcholine (100 µM). Even under these conditions, the results showed certain spasmolytic effects, which were less pronounced compared to the effects on spontaneous peristaltic activity, but comparable to that of the standard drug N-butylscopolamine.
Using new intestinal systems which include mechanisms probably related to the pathogenesis of IBS, antioxidative and spasmolytic effects of STW 5 were found that could be part of its clinically proven therapeutic efficacy.