Inhaltszusammenfassung:
Modular aufgebaute, mehrschichtige Arzneiformen, die eine Löslichkeitsverbesserung des Wirkstoffs durch den Einsatz pH-aktiver Hilfsstoffe mit einer kontrollierten Freigabe kombinieren, stellen einen innovativen Ansatz zur Darreichung von pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen dar. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dargestellt, wie die Entwicklung solcher Arzneiformen durch die Anwendung von Screeningmethoden und semi-empirischen Modellen zur Vorhersage des Freisetzungsverlaufs unterstützt werden kann. Dazu werden Untersuchungen an isolierten Überzugsmembranen eingesetzt, ein mathematisches Modell zur Beschreibung des Freisetzungsverlaufs überzogener Arzneiformen entwickelt und ein neues biorelevantes Freisetzungsmodell etabliert.
Im ersten Teil der Arbeit wird anhand von Freisetzungsuntersuchungen von überzogenen Pellets gezeigt, dass sich die Retardpolymere Aquacoat ECD, Eudragit NE und Eudragit RS zur Einstellung eines definierten Freisetzungsprofils von Weinsäure als pH-aktiver Substanz eignen. Die Bestimmungen der Permeabilität und der mechanischen Eigenschaften von isolierten Membranen liefern dabei entscheidende Erkenntnisse zur Aufklärung der Transportmechanismen sowie der relevanten Einflussfaktoren auf die Freisetzung. Insbesondere Überzüge von Eudragit RS ermöglichen eine zeitgesteuerte, pulsatile Freisetzung von Weinsäure mit Lag-Zeiten zwischen 0,1 und vier Stunden, was maßgeblich auf die elektrostatischen Austauschprozessen an den quartären Ammoniumgruppen der Membran beruht. Das resultierende Freisetzungsprofil kann deshalb durch eine vorherige Beladung dieser Gruppen mit Sulfat, durch unterschiedliche Anteile von TEC oder durch variierende Überzugslevel sowie durch Polymermischungen variabel gesteuert werden. Die Stabilität dieser Mischüberzüge ist jedoch unbefriedigend. Stabilitätsdaten mit einer Lagerung der Pellets bei Temperaturen zwischen 40 °C und 60 °C sowie Untersuchungen der Membranpermeabilität in Abhängigkeit von der thermischen Nachbehandlung zeigen eine temperaturabhängige Verlangsamung der Freisetzung, was vermutlich auf physikalischen Veränderungen der Membran beruht.
Zur direkten Steuerung der Freisetzung von schwerlöslichen Wirkstoffen können funktionelle, porenhaltige Überzüge angewendet werden, da sich ihre Freisetzungsrate rezepturabhängig sehr flexibel steuern lässt. Die Permeabilitäten von isolierten Membranen mit unterschiedlichen Anteilen eines Porenbildners für Theophyllin, korrelieren dabei mit den Freisetzungsdaten von Theophyllin-Pellets, die mit den identischen Membranen überzogen werden. Der Freisetzungsverlauf dieser Arzneiformen kann mathematisch mit der Weibull-Funktion beschrieben werden. Dabei wird beobachtet, dass der Weibull-Exponent d für alle diffusionskontrolliert-freisetzenden, überzogenen Arzneiformen annähernd den Wert 1 annimmt. Da der Funktionsparameter kW und die experimentell an isolierten Filmüberzügen bestimmte, rezepturabhängige Permeabilität der Membran korrelieren, ermöglicht dieser semi-empirischer Ansatz, mit einem Screening der Permeabilität isolierter Filme, die direkte Bestimmung der Funktionsparameter der Weibull-Funktion. Somit kann auf der Basis von empirischen Daten von isolierten Filmen mit Hilfe der Weibull-Funktion schnell eine gute Näherung des Freisetzungsverhaltens überzogener Pellets mathematisch berechnet und damit die Formulierungsfindung unterstützt werden. Dies konnte für die Überzüge aus HP-50 / Kollidon 17 bzw. Aquacoat ECD / Kollicoat IR gezeigt werden. Dadurch bieten sich neue Möglichkeiten für eine Wirkstoff- und zeitsparende Entwicklung überzogener Arzneiformen.
Zudem wird in der vorliegenden Arbeit ein zweiphasiges Freisetzungsmodell zur Charakterisierung des in vivo Verhaltens von modifiziert freisetzenden, oralen Darreichungsformen mit pH-abhängig schwerlöslichen Wirkstoffen vorgestellt. Dieses Modell besteht aus einem wässrigen Medium mit integriertem pH-Gradient entsprechend dem physiologischen pH-Verlauf im Verdauungstrakt und einer n-Octanol-Phase. Durch den pH-Gradienten können biorelevantere pH-Bedingungen simuliert und durch die n-Octanol Phase Sink-Bedingungen gewährleistet werden. Dieses in vitro Modell bestätigt beim Vergleich mit humanen in vivo Daten eine bessere Vorhersagekraft des zweiphasigen Modells für das tatsächliche in vivo Verhalten. Das Modell ist weitgehend automatisiert, einfach zu bedienen und auf Basis konventioneller Freisetzungsapparaturen kostengünstig zu installieren. Damit steht bereits in frühen Phasen der Entwicklung ein biorelevantes Freisetzungsmodell zur Verfügung, das für das tatsächliche in vivo Verhalten einer Arzneiform entscheidende Hinweise liefern kann. Dies erleichtert bereits in frühen Phasen der Arzneiformenentwicklung die Auswahl von Prototypen für die klinische Entwicklung.
Abstract:
Multi-layered coated oral dosage forms with a modular design may provide an innovative approach for the delivery of pH-dependent poorly soluble drugs by combining solubility enhancement and controlled release techniques in one dosage form. This can be achieved by the adaption of the release properties of incorporated pH-modifying excipients to the solubility characteristics of the drug.
This thesis outlines how formulation development of those dosage forms might be facilitated by using screening techniques and prediction tools on the basis of a semi-empirical approach. For this purpose, a screening of coating properties using free films and a mathematic model to predict drug release are presented. Additionally, a novel biorelevant biphasic dissolution test for oral modified release dosage forms is introduced.
As studies on coated pellets showed, a tailor-made release of tartaric acid as a pH-modifying excipient can be achieved by using polymeric coating dispersions like Aquacoat ECD, Eudragit NE and Eudragit RS. The investigation of the permeability and the mechanical properties of free films provides valuable insight into the underlying transport mechanisms and allows to determine relevant formulation parameters to control the release rate. Especially, coatings of Eudragit RS enable a time-controlled, pulsatile release pattern of tartaric acid with lag times between 0.1 and four hours. As this is predominantly related to exchange processes of anionic moieties at the cationic groups of the polymer, it is shown that the release properties of the membrane can be varied by addititves like sulfate, by different levels of triethylcitrate as plasticizer, different coating-levels as well as by blends of Eudragit RS with other polymers. However, the stability of coatings using polymer-blends of Eudragit RS and Eudragit NE is not satisfying. The release rate from coated tartaric acid pellets turned out to be sensitive towards storage temperature with which results in diminishing release rates at higher temperature as release data of pellets that were stored at ambient conditions, 40 °C and 60 °C reveal.
Functional coatings incorporating a pore former are especially advantageous for the design of controlled release dosage forms of poorly soluble drugs, as the release rate of these coatings can be adapted very flexibly by choice of an appropriate amount of pore former included in the coating. As empiric data showed, the permeability of theophylline through free films with different portions of a pore former correlate well with the release of theophylline pellets that are coated with identical coatings. Their release pattern can be described mathematically using the Weibull-equation. As empirical data showed, the exponent d of the Weibull-equation equals approximately to one, when considering drug release from diffusion controlled coated dosage forms. As the Weibull-parameter kW correlates well with the empirically determined permeability of free films, this semi empirical approach is able to quantitatively predict drug release from coated pellets on the basis of empirical data obtained from screening the permeability of free films. This approach turned out to be suitable for coatings of HP-50 / Kollidon 17 and Aquacoat ECD / Kollicoat IR. Therefore, it provides opportunities to speed up formulation development and limitate the consumption of the active.
Finally, a biphasic dissolution test, that is especially suitable for the characterization of dosage forms with pH-dependent poorly soluble drugs, is presented. This dissolution test is set up by an aqueous dissolution medium whose pH is adapted to simulate the biorelevant course of pH along the human gastrointestinal tract. Additionally, a n-octanol layer on top of the dissolution medium provides sink-conditions throughout the experiment.
Dissolution data of this in vitro test showed a better predictability of in vivo behavior compared to the conventional dissolution tests. Furthermore, the system is wholly automated, easy to handle and affordable as only minor adaption needs to be added to a conventional dissolution system. It provides a biorelevant dissolution system, that proved to be useful for prototype selection in early formulation development.