Inhaltszusammenfassung:
Ulrich Simon
Die Burkhardtshöhle - eine Magdalénienstation
am Nordrand der Schwäbischen Alb
Magisterarbeit Tübingen 1993 (Prof. Dr. Joachim Hahn)
Im Gegensatz zu den reichen Fundlandschaften des Albsüdrandes sind von der Nordseite der Schwäbischen Alb nur wenige paläolithische Fundstellen bekannt. Nach ersten Forschungsansätzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeiteten in den 1930er Jahre vor allem E. PETERS und G. RIEK in dieser Region. Letzterer entdeckte 1933 nordwestlich der Gemeinde Westerheim (Alb-Donau-Kreis) die Burkhardtshöhle.
1933-1934 grub RIEK die Fundstelle in etwa 3 Wochen aus. Bei einer Nachgrabung durch J. HAHN 1973 wurden keine Fundschichten mehr angetroffen.
Das von RIEK dokumentierte Profil zeigt eine Dreiteilung. Unter holozänen Humusschichten (Schicht I-II) folgen Kalkschuttsedimente der ausgehenden Würmkaltzeit (Schicht III-VIII) und im Liegenden Lehme (Schicht IX-XII), die eventuell umgelagerte tertiäre Albüberdeckungslehme darstellen, die heute die Talbodenauffüllung bilden.
Altsteinzeitliche Funde liegen nur aus Schicht V vor. Umfangreiche Aschelagen mit einer Plattensetzung aus ortsfremden Kalken weisen auf zwei ausgebaute Feuerstellen hin. Ein Holzkohleband an der Basis von Schicht III war dagegen fundleer und in der mit Holzkohlepartikeln durchsetzten Schicht VII fanden sich nur wenige Faunenreste vom Ren. Für diese Horizonte sind weitere Begehungen durch den Menschen dennoch nicht auszuschließen.
Mit verkieseltem Tuff vom Randecker Maar (35%) und Jurahornsteinen (56%) stellen lokale Rohmaterialien den Großteil des 825 Stücke umfassenden Inventars. Für diese Materialien belegt die technische Analyse eine Grundproduktion in der Station. Radiolarit aus dem Einzugsgebiet der Donau sowie Hornsteine von der Fränkischen Alb belegen weiträumige Rohmaterialbezüge. Der hohe Anteil an Klingen und Werkzeugen bei diesen Materialien deutet auf eine Einbringung als Grundausstattung hin.
Mit 69 modifizierten Artefakten weist das Fundinventar einen Geräteanteil von 8,4% auf. Neben den häufigen Rückenspitzen treten Stichel, kanten- und rückenretuschierte Formen, sowie in geringerer Häufigkeit Bohrer, Kratzer, Endretuschen und ausgesplitterte Stücke auf. Knochengeräte sind mit einem Pfriem und einer Querangel selten. Zum Fundmaterial gehören weiterhin ein Retuscheur, Hämatit und ein gekerbter Belemnit, der als Anhänger gedeutet werden kann. Das Inventar wird in das Spätmagdalénien gestellt.
Eine Neubestimmung der Fauna durch H. BERKE ergibt für die hangenden Schichten ein holozänes Artenspektrum. Für die Oberkante der Kalkschuttsedimente kann durch die Molluskenart Discus ruderatus der Übergangsbereich Spätglazial-Frühholozän erfaßt werden. In den spätglazialen Schichten dominieren Pferd und Ren. Daneben kommen Schneehase, Eisfuchs, Steinbock, Bär und Elch vor. Fischreste sind durch Forelle und Hecht vertreten, Kleinsäuger selten. Zur Jagdfauna werden Pferd, Ren, Schneehase und die Fischarten gerechnet. Nach den bejagten Tierarten ist eine Einordnung in den Bereich Ältere Dryas bis Alleröd möglich. Eine saisonale Datierung gibt das Winterhalbjahr an. Nach den Biotopansprüchen der Arten wurde vor allem die Albhochfläche bejagt.
Im Rahmen der Neubearbeitung fielen einige bisher nicht bekannte menschliche Schädelfragmente auf. Ihre genaue stratigraphische Herkunft ist unsicher. Die 14C-AMS-Datierung eines Fragments erbrachte ein magdalénienzeitliches Alter von 12450+/-110 BP (ETH-7613).
Obwohl es sich bei der Burkhardtshöhle um eine alt gegrabene Fundstelle mit entsprechendem Dokumentationsstand handelt, lassen sich doch Aussagen zum Siedlungs- und Jagdverhalten des Menschen treffen. Geochronologisch und nach dem stratigraphisch unsicheren 14C-Datum ergibt sich eine Stellung in den Bereich Bölling bis Ältere Dryas, die durch die zeitliche Einordnung der Jagdfauna unterstützt wird. Die saisonale Datierung erscheint dagegen unsicher, da nach rezenten Klimadaten eine Winterbesiedlung der Station klimatisch ungünstig ist. Räumlich stellt die Höhle einen vergleichsweise kleinen Lagerplatz dar. In der Station wurden Feuerstellen unterhalten und mit eingebrachten Steinplatten ausgebaut. Im Umkreis von 10 km wurde Rohmaterial gesammelt und in der Höhle weiterverarbeitet. Außerdem fand eine Jagd auf die oben angeführten Tierarten statt. Aufgrund dieser Tätigkeiten kann von einem mehrtägigen Aufenthalt des Menschen ausgegangen werden.
Literatur
ALBRECHT, G., CAMPEN, I., HAHN, J., KIND, J., LINDENBORN, J., TORKE, W. G. & ZIMMERMANN, A. 1977: Eine Nachgrabung in der Burkhardtshöhle, Gemeinde Westerheim, Alb-Donau-Kreis. Fundberichte Bad.-Württ. 3, 6-13.
RIEK, G. 1959: Das federmesserführende Magdalénien der Burkhardtshöhle bei Westerheim im Kreis Münsingen (Schwäbische Alb). Fundberichte aus Schwaben N.F. 15, 9-29.