Inhaltszusammenfassung:
Die im Meso- und Bathypelagial aller Weltmeere vorkommenden Tiefseefische der Familie Stomiidae (Schuppendrachenfische) zählen 281 Arten in 28 Gattungen. Allen Vertretern der Stomiidae fehlt eine knöcherne Gelenkung zwischen dem Occiput und dem ersten Wirbel. In der dadurch entstehenden occipito-vertebralen Lücke wird die Chordascheide exponiert. In früheren Studien wurde diese occipito-vertebrale Lücke als Verlust eines oder mehrerer Wirbel oder Wirbelzentren gedeutet. Funktionell ist die Lückenbildung wahrscheinlich als Verbesserung der Kopfbeweglichkeit zu interpretieren. Die vorliegende Arbeit umfasst die Reevaluation der hierzu existierenden Literatur und die praktische Überprüfung der Hypothese der Wirbelreduktion bei den Stomiidae. Dazu wurden 26 der heute gültigen 28 Gattungen vergleichend morphologisch untersucht. Viele der verwendeten Taxa sind erstmals zur Klärung der Fragestellung herangezogen worden. Anhand histologischer Schnittserien sowie spezieller Aufhell- und Färbetechniken wurden die Ansatzstellen occipitaler und vertebraler Myosepten am Occiput und Axialskelett genauer bestimmt. Durch die Identifizierung und Zählung der spino-occipitalen Nerven konnten die gewonnenen Erkenntnisse erhärtet werden. Bei allen bekannten Teleostei stehen die ersten drei Myosepten mit dem Occiput in Verbindung (occipitale Myosepten). Das vierte Myoseptum ist immer mit dem ersten Wirbel assoziiert. Kann keine Verbindung zwischen viertem Myoseptum und einem Wirbel festgestellt werden, ist dies ein Indiz für dessen teilweise oder vollständige Reduktion und das Myoseptum setzt direkt an der Chordascheide an. Mittels dieses methodischen Zugangs lässt sich der neue Befund erheben, dass es nur bei den Taxa Chauliodus, Eustomias und Leptostomias gladiator zu einer vollständigen Reduktion von Wirbelzentren kommt. In welchem Fall die entsprechenden Neuralbögen und Parapophysen persistieren. Es kommt jedoch zu beachtlichen inter- und intragenerischen Unterschieden in der Anzahl der reduzierten Wirbelzentren. Bei allen anderen Stomiidae (Neonesthes, Astronesthes, Borostomias, Rhadinesthes, Heterophotus, Stomias, Trigonolampa, Chirostomias, Flagellostomias, Opostomias, Odontostomias, Thysanactis, Photonectes, Melanostomias, Echiostoma, Tactostoma, Idiacanthus, Grammatostomias, Bathophilus, Pachystomias, Photostomias, Malacosteus und Aristostomias) ist die mehr oder weniger exponierte Chordascheide zwischen Occiput und erstem Wirbel lediglich durch die Streckung des Axialskeletts bedingt. Bei diesen Gattungen kommt es somit zu keiner Wirbelreduktion. Der komplexe Aufbau und die larvale Ontogenese des vorderen Axialskeletts der Stomiidae werden vergleichend und phylogenetisch-systematisch diskutiert. Desweiteren konnte bei Bathophilus, Eustomias, Pachystomias, Malacosteus, Photostomias und Aristostomias eine ventrale Reservefalte der Chorda dorsalis festgestellt werden, in welche die caudalwärts verlängerte Occipitalregion hineinragt. Dieses sogenannte „sekundäre Kopfgelenk“ ermöglicht eine Verlängerung der gefalteten ventralen Chordascheide und ein weiteres Anheben des Kopfes. Das Merkmal des „sekundären Kopfgelenks“ wird in vorliegender Arbeit als Synapomorphie der genannten Gattungen (Bathophilus, Eustomias, Pachystomias, Malacosteus, Photostomias und Aristostomias) betrachtet. Damit wird die Monophylie der von Nelson (2006) etablierten Unterfamilie der „Malacosteinae“ (Malacosteus, Photostomias und Aristostomias) in Frage gestellt.
Abstract:
The family Stomiidae (barbeled dragonfishes) comprises 281 species in 28 genera and consists of meso- and bathypelagic fishes that are found in the open water of all major temperate and subtropical oceans. In all stomiid genera there is an occipito-vertebral gap between the skull and the first vertebra bridged only by the flexible notochord. Morphological studies from the early 20th century suggested that some stomiid genera have one to ten of the anteriormost centra reduced or entire vertebrae missing in this region. Our study reviews this previous hypothesis, and with a new approach we show that only in Chauliodus, Eustomias and Leptostomias gladiator vertebral centra are actually lost, with their respective neural arches and parapophyses persisting. We present results from a comparative analysis of the number and insertion sites of the anteriormost myosepta in 26 of the 28 stomiid genera. Generally in teleosts the first three myosepta are associated with the occiput, and the fourth is the first vertebral myoseptum. The insertion site of the fourth myoseptum plays an important role in this analysis, because it provides a landmark for the first vertebra. Lack of association of the fourth myoseptum with a vertebra is thus evidence that the first vertebra is reduced or absent. By counting the occipital and vertebral myosepta the number of reduced vertebrae in Chauliodus, Eustomias and Leptostomias gladiator can be inferred. Proper identification of the spino-occipital nerves provides an additional source of information about vertebral reduction. In all other stomiid genera the extensive occipito-vertebral gap is not a consequence of the reduction of vertebrae, but of an elongation of the notochord. The complex structure and ontogeny of the anterior part of the vertebral column of stomiids are discussed comparatively. Further a novel morphological feature is present within the six stomiid genera Eustomias, Bathophilus, Pachystomias, Malacosteus, Photostomias, and Aristostomias. This feature includes parts of the occipital region of the skull and the notochord where the chordal sheath is folded ventrally and this extra sheath can be extended when the head is pulled upwards. The flexibility of the head reaching out for prey is improved by this mechanism. Such a mechanism that allows the bending of the region between head and trunk is unique among teleosts. In addition it also seems to be an important new morphological character elucidating novel hypothesis regarding stomiid intrarelationships since the six genera that posses this novelty belong to different stomiid subfamilies (Melanostomiinae and Malacosteinae, according to Nelson 2006).