Inhaltszusammenfassung:
Die Wiederherstellung einer verlorenen Sinneswahrnehmung, wie zum Beispiel des Sehvermögens, ermöglichen kortikale Implantate. Künstliche Wahrnehmungen werden dabei durch direkte Stimulation des entsprechenden Gehirnareals über eine Reihe von Mikroelektroden hervorgerufen. Im Gegensatz zum Retina-Implantat können
kortikale Implantate bei einer blinden Person sogar dann eingesetzt werden, wenn der Informationsfluss zwischen Rezeptor und Gehirn entlang der visuellen Leitungsbahn erst in späteren Stufen unterbrochen ist. Das Erzeugen stabiler
Sinneseindrücke durch direkte Stimulation des Gehirns ist derzeit noch nicht möglich. Ein wesentliches Problem dabei ist die starke Schwankung evozierter Potentiale, die durch eine stetig fluktuierende kortikale Aktivität verursacht wird.
Diese Dissertation hat sich mit dieser Schwierigkeit auseinandergesetzt und schlägt zur Stabilisierung evozierter kortikaler Potentiale
eine adaptive Mikrostimulation vor, bei der die Intensität der Stromstöße ausgehend von der gegenwärtigen Gehirnaktivität fortlaufend angepasst wird.
Um die Machbarkeit dieses Ansatzes zu untersuchen, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein experimenteller Aufbau für eine gleichzeitige Aufnahme und Stimulation im Barrel Kortex anästhesierter Ratten entwickelt. Für die Steuerung der Intensitäten werden ein direkter und inverser Lösungsansatz
vorgeschlagen und evaluiert, wobei die Schätzung der erforderlichen Funktionen auf Basis experimenteller Daten durch Support Vektor Regression erfolgt.
Eine anwendungsspezifische Kern-Funktion, die unter Ausnutzung von Vorwissen über die zeitliche Struktur der Daten, eine Dekodierung der kortikalen
Aktivität erlaubt, gehört zu den weiteren algorithmischen Entwicklungen. Im Vergleich mit üblichen Kern-Funktionen erzielt die weiterentwickelte Kern-Funktion eine höhere Präzision bei der Vorhersage der Stimulationsintensität.
Die bei sieben Versuchstieren erhobenen experimentellen Ergebnisse zeigen erstmals, dass evozierte Potentiale durch adaptive Mikrostimulation stabilisiert
werden können, falls die Stromstöße eine hinreichend geringe Intensität aufweisen. Allerdings schwankt der durch adaptive Mikrostimulation erreichte Effekt innerhalb weniger Minuten, was auf einen Verfall der durch Support Vektor Regression ermittelten Funktion zurückzuführen ist.
Zur Vermeidung dieses Verfalls in zukünftigen Anwendungen adaptiver Mikrostimulation schlägt diese Arbeit einen neuen Algorithmus zum Online-Training der Support Vektor Regression vor. Der Algorithmus ist besonders für eine Aktualisierung der geschätzten Funktion in einer Echtzeit Umgebung
geeignet und benötigt keine manuelle Einstellung einer Schrittweite. Mit dem neuen Algorithmus lässt sich, bei gleichem Zeitaufwand pro Iteration, im Vergleich mit anderen aktuellen Verfahren eine schnellere Konvergenz der Vorhersagefehlers auf verschiedenen Datensätzen erreichen.
Zusammengenommen bestätigen die in dieser Arbeit vorgestellten Ergebnisse die Machbarkeit adaptiver Mikrostimulation.
Darüber hinaus eröffnet sich die Perspektive zukünftig stabile Wahrnehmungen mit Hilfe kortikaler Implantate zu erzeugen.