Inhaltszusammenfassung:
ZIELSETZUNG: Diese Arbeit hatte das Ziel, Leitlinien mit Hilfe eines computergestützten Behandlungsalgorithmus (CBA) und einer Fortbildung in den Praxisalltag von niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Internisten zu implementieren und dadurch den Anteil leitlinienkonform behandelter Patienten zu erhöhen. Das Projekt soll damit am Beispiel Vorhofflimmern (AFib = atrial fibrillation) Wege zur Verbesserung der Patientenversorgung aufzeigen.
EINLEITUNG: AFib-Patienten haben durchschnittlich ein bis zu 5-fach erhöhtes thromboembolisches Risiko. Eine gefürchtete Komplikation ist der ischämische Schlaganfall. 15-20 % der gesamten Schlaganfälle können auf Vorhofflimmern als Ursache zurückgeführt werden. Metaanalysen von großen randomisierten Studien konnten zeigen, dass durch eine Antikoagulation im Vergleich zu Placebo eine Risikoreduktion des Schlaganfallrisikos von 68 % erreichbar ist, bei einer antithrombotischen Behandlung mit Acetylsalicylsäure eine Risikoreduktion von 22 %. Dementsprechend empfehlen die Leitlinien eine antithrombotische Therapie entsprechend des individuellen thromboembolischen Risikos des Patienten, unabhängig von der Art des Vorhofflimmerns.
Trotz der bestehenden Leitlinien und des eindeutig belegten positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses der antithrombotischen Therapie werden die Leitlinien bislang nicht in befriedigender Weise umgesetzt.
METHODIK: Innerhalb einer prospektiven, multizentrischen, kontrollierten, interventionellen Kohortenstudie wurde durch eine 1. Versorgungsanalyse in Form eines neunseitigen Fragebogens die leitlinienkonforme Behandlung zum Ist-Zeitpunkt festgestellt. Die Kohorten bestanden aus einer Interventionsgruppe (Süd-/Nordwürttemberg) und einer Kontrollgruppe (Südbaden). Nach der 1. Versorgungsanalyse erfolgte eine Randomisierung der Interventionsgruppe in eine Intensive und eine Konventionelle Interventionsgruppe.
Für die folgende Intervention war die Grundvoraussetzung die Entwicklung des Behandlungsalgorithmus, welcher die ACC/AHA/ESC Vorhofflimmern-Leitlinie abbildet und dem Arzt im Praxisalltag als Hilfe bei der Therapieentscheidung fungieren soll. Solche elektronischen Entscheidungshilfen haben sich in vorausgegangenen Studien als besonders effektive Implementierungsinstrumente erwiesen. Die Intensive Interventionsgruppe (A) erhielt eine Fortbildung und den CBA, die Konventionelle Interventionsgruppe (B) lediglich die Fortbildung und bei der Kontrollgruppe (C) wurde keine Intervention durchgeführt. Durch eine 2. Versorgungsanalyse, sechs Monate nach der Intervention, sollte der Interventionseffekt festgestellt werden.
ERGEBNISSE: 56 niedergelassen Ärzte schlossen 315 Afib-Patienten in die Studie ein. Die Leitlinienkonformität in der 1. und 2. Versorgungsanalyse der Gruppen war 61,9 % und 58,5 % (C), 69,1 % und 63,9 % (A), 65,0 % und 72,0 % (B), entsprechend. Nach der Intervention konnte also nur in der Konventionellen Interventionsgruppe ein Anstieg der Leitlinienkonformität von 65 % auf 72 % festgestellt werden. Weder dieser Anstieg, noch die beobachteten Häufigkeiten in allen anderen Kohorten und die Vergleiche der Häufigkeiten zwischen den Kohorten, ergaben statistisch signifikante Unterschiede.
Die Hauptgründe für die Nichteinhaltung der Leitlinie in allen Gruppen in der ersten und zweiten Versorgungsanalyse waren die abweichende antithrombotische Therapie (24,8 %, 20,6 %), die Qualität der antithrombotischen Therapie (69,5 %, 70,1 %) oder die Kontraindikationen (11,4 %, 12,4 %).
Durch die Studie konnte daher kein Interventionseffekt nachgewiesen werden. Die Anwendung des CBA bei der Therapieentscheidung der antithrombotischen Therapie konnte im Hinblick auf die Erhöhung der Leitlinienkonformität in dieser Studie keinen zusätzlichen Nutzen erzielen. Durch eine zusätzliche Befragung zum CBA zur Akzeptanz und Zufriedenheit konnte aber gezeigt werden, dass die Prüfärzte den Algorithmus als hilfreich und lehrreich empfunden haben und sie sich einen solchen Algorithmus auch für andere Leitlinien wünschen.
ZUSAMMENFASSUNG: Zusammenfassend kann man sagen, dass durch die Studie gezeigt werden konnte, dass der CBA in seiner jetzigen Form nicht als Instrument zur Leitlinienimplementierung und damit zur Erhöhung der Leitlinienkonformität beiträgt. Wenn man die identifizierten Gründe für die Leitlinienverstöße in eine Weiterentwicklung des CBA integrieren würde, wäre eine Leitlinienverbesserung eventuell möglich. Außerdem konnte gezeigt werden, dass ein solches Instrument durchaus von den Ärzten akzeptiert und als hilfreich empfunden wird.
Abstract:
OBJECTIVES: The purpose of this study was to implement guidelines with a computer-based treatment algorithm (CBA) and education into office-based physicians workday resulting in an improvement of guideline adherence. This project was intended to show ways to improve patient care using the example of atrial fibrillation (AFib).
INTRODUCTION: AFib patients have a five-fold increased thromboembolic risk. One serious complication is the ischemic stroke. 15-20 % of the total strokes are caused by atrial fibrillation. Metaanalysis of big randomised trials showed that anticoagulation compared to placebo achieve a risk reduction of 68 %. A treatment with acetylsalicylic acid showed a risk redution of 22 %. The guideline recommend an antithrombotic therapy adequate to the patients individual thromboembolic risk independently of the atrial fibrillation type.
Despite the existing guidelines and the positive benefit-risk-value of the antithrombotic therapy several observational studies have shown suboptimal use.
METHOD: Within a prospective multicenter controlled interventional cohort study a first analysis in form of a standardised questionnaire determine adherence to the guideline. The study region consists of one control cohort (C) in Südbaden and two intervention cohorts (A and B) in Süd-/Nordwürttemberg. After the first analysis randomisation of the intervention cohorts occur into a conventional (B) and an intensive intervention cohort (A). Basic requirement for the intervention was the development of the computer-based treatment algorithm (CBA) on the basis of the ACC/AHA/ESC AFib guideline. Such electronic decision support systems have proved valuable and very effective as a guideline implementation instrument. Group A and B then received education, and group A also received the CBA. The control cohort (C) did not get an intervention. A second analysis was performed six months later to check if guideline implementation has been effective, depending on the underlying intervention.
RESULTS: 56 office-based physicians enrolled 315 AFib patients. Guideline adherence in the first and second analysis in the cohorts was 61,9% and 58,5% (C), 69,1% and 63,9% (A), 65,0% and 72,0% (B), respectively. After intervention only cohort B showed an increase in guideline adherence from 65,0% to 72,0%. Neither this increase nor the observed frequencies in the other cohorts and the comparison of the frequencies between the cohorts reached statistical significance. As main reasons for guideline violation for all cohorts in the first and second analysis we identified deviating choice (24,8%, 20,6%) or performance (69,5%, 70,1%) of antithrombotic therapy and contraindications (11,4%, 12,4%).
In this study no intervention effect was detected. The use of the CBA on therapy decisions of the antithrombotic treatment was not associated with an additional benefit in guideline adherence. An additional CBA acceptance and satisfaction questionnaire showed that the office-based physicians felt the CBA as adjuvant, they also had a learning effect and they want such an algorithm for other guidelines.
CONCLUSION: In this study we illustrated that the current CBA is no effective guideline implementation instrument because it was not associated with improved guideline adherence. If however, identified reasons for guideline violation will be included into an advanced CBA, improvement may be possible in the future. We also showed that such an instrument is well accepted and helpful for the office-based physicians.