Inhaltszusammenfassung:
Unter dem Begriff "Koevolution" werden in der evolutionsbiologischen Literatur sehr unterschiedliche Phänomene eingeordnet, die von wechselseitigen Einflüssen auf den Genpool der Populationen zweier assoziierter Organismen einerseits bis zum Vergleich von Stammbäumen andererseits reichen. Die Begriffsverwirrung wird komplettiert durch Kausalbeziehungen, die zwischen verschiedenen dieser Phänomene postuliert wurden. Um dem babylonischen Chaos entgegenzutreten, wird hier zunächst in einem begriffshistorischen Abriss geklärt, welche der sich derzeit im Umlauf befindenden Definitionen von "Koevolution" der ursprünglichen gleichkommt. Es schließt sich die Diskussion der Frage an, ob sich diese originale Definition als Oberbegriff für die verschiedenen Phänomen eignet. Zweitens wird gefragt, ob sich die in der Literatur postulierten Kausalzusammenhänge empirisch oder theoretisch plausibel machen lassen. Beide Fragen werden verneint. Vor diesem Hintergrund wird für eine Nomenklatur für den Vergleich von Stammbäumen plädiert, die vom begrifflichen Ballast aus dem Umfeld von "Koevolution" befreit ist.
Abstract:
The term "co-evolution" is frequently used in evolutionary biology and covers extremely heterogeneous phenomena, ranging from the reciprocal impact of two associated populations of distinct species on each other's gene pool on the one hand to the comparison of phylogenies on the other hand. The nomenclature is further complicated by the fact the causal relationships have been postulated between some of these phenomena. To counter this kind of terminological confusion, we here first examine the history of the term "co-evolution" and determine which of the definitions currently in use is closest to the original one. We then clarify the question whether it is reasonable to subsume the other phenomena under this general term. Second, we ask whether the causal relationships postulated in literature are supported by empirical or theoretical evidences. The answer to both questions is "no". Accordingly, we advocate to use distinct nomenclature when comparing phylogenies, which is independent of any over-interpretations inherited from the literature debate on "co-evolution".