Inhaltszusammenfassung:
Pferde sind Fluchttiere. Ihr Fluchtinstinkt bewirkt, dass sie sich leicht erschrecken und auch in diversen Situationen mit Flucht reagieren. Diese Tatsache ist den meisten Reitern bekannt, nur ist es für den Menschen teilweise schwer, mit dieser Eigenschaft auszukommen und sie zu verstehen oder gar nachzuvollziehen. So kommt es häufig zu Unfällen, die aus der Angst der Pferde resultieren, jedoch vermeidbar gewesen wären, hätte man ankündigende Signale früher erkannt. Des Weiteren kann die Angst eines Pferdes auch durch eine (Ver-) Weigerung, bestimmte Dinge zu tun, sichtbar werden. Diese Weigerung wird in der Reiterei gerne als „Bockigkeit“ und „Ungehorsam“ des Pferdes interpretiert und führt nicht selten zu einer Bestrafung. Insgesamt kann man sagen, dass angstauslösende Reize und die Reaktionen des Pferdes darauf oft falsch eingeschätzt oder falsch interpretiert werden und in der Folge auch falsch damit umgegangen wird. Ein Grund dafür ist sicher das fehlende Wissen über das Verhalten des Pferdes. Mit der vorliegenden Diplomarbeit soll ein Beitrag geleistet werden, das Pferd in seinem Angstverhalten besser zu verstehen. Ziel der Arbeit war es, das Verhalten des Pferdes bei verschiedenen Intensitäten von Angst zu untersuchen. Des Weiteren wurden Methoden untersucht, mit denen man die Angst von Pferden vor bestimmten Reizen und Situationen potentiell lindern kann, was letztendlich auch der Unfallvorbeugung dient.
Die vorliegende Diplomarbeit wurde am Haupt- und Landesgestüt Marbach mit 24 Junghengsten durchgeführt (18 Deutsche Warmblüter, 3 Vollblutaraber und 3 Schwarzwälder Füchse).
Im ersten Teil der Arbeit wurde untersucht, wie sich Angst, genauer Neophobie, bei Pferden äußert. Zur Angstauslösung dienten als Konfrontationsgegenstände ein Sonnenschirm und eine Plastikplane. Das Verhalten sowie die Herzrate der Tiere wurden während aller Versuche beobachtet und quantifiziert. Nach einer ersten Konfrontation erfuhren die Pferde ein Extinktionstraining, während dessen Verhaltensymptome beobachtet wurden. Die Hypothese war, dass tatsächliche Angstsymptome während der Gewöhnung immer seltener zu beobachten sind.
Als Verhaltensweisen für Angst konnten Ausweichbewegungen und Flucht, Lautäußerungen (Prusten und Schnauben), das Anspannen der Halsmuskulatur sowie das Vordrücken der Oberlippe identifiziert werden. Weiter wurde gezeigt, dass Abstufungen im Angstverhalten möglich sind: Bei sehr hohem Angstlevel sind Fluchtreaktionen zu beobachten. Bei mittlerem Angstlevel treten Ausweichbewegungen im Schritt und Lautäußerungen auf, bei geringem Angstlevel wird die Halsmuskulatur angespannt und die Oberlippe vorgedrückt.
Im Zweiten Teil der Arbeit sollten verschiedene Methoden zur Angstextinktion auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden. Verwendet wurde in verschiedenen Testgruppen die Methode der Desensibilisierung, die Desensibilisierung mit Gegenkonditionierung durch Streicheln bzw. Reiben des Halses und die Desensibilisierung mit Gegenkonditionierung durch Futterbelohnung. Als Kontrollgruppe dienten Pferde, die ohne eine Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz nur über den Versuchplatz geführt wurden.
Während des Extinktionstrainings konnte beobachtet werden, dass die Desensibilisierung mit Gegenkonditionierung zu einer schnelleren Extinktion führt als ohne Gegenkonditionierung. Allerdings zeigte ein Vergleich mit der Kontrollgruppe den gleichen Verlust an Angstverhalten wie die Gruppen mit Extinktionstraining. Dieses Ergebnis wurde so interpretiert, dass die wiederholte Exposition gegenüber angstauslösenden Reizen bei den durchgeführten Verhaltenstests zwar eine Rolle spielt, doch dass auch allein die Beschäftigung mit den Tieren zu einem Verlust von Angstverhalten führt.
Abstract:
Behavioural fear responses have a high biological significance since they help animals to survive dangerous situations. The present study examined the fear behavior of horses. Therefore, 18 young stallions (German warmblood) from the Haupt- und Landesgestüt Marbach were repeatedly confronted with new stimuli (an umbrella, a cover sheet) inducing neophobia. During the confrontations, the behavior of each horse was videotaped and the heart rate response was recorded. In fact, the stimuli induced a tachycardia as well as several behavioral responses which can be regarded as fear behavior. This includes stimulus-directed movements of the ears and the lips but also vocalization and avoidance behavior. There were three classes of fear responses with different strength of accompanying tachycardia. After repeated confrontations with the fear-inducing stimuli, the number of fear responses but also tachycardia decreased reflecting habituation of the horses to the used stimuli. The second experiment was used to compare different protocols of habituation (desensitization, desensitization with two different forms of reward, no desensitization). Surprisingly, all groups of horses showed a significant and very similar decrease in fear behavior and heart rate response. This indicates that the method to habituate fear in horses seems to be of no importance and that probably the gained relationship with the human experimenter was the main factor in the reduction of fear.