Inhaltszusammenfassung:
Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein intuitives Verständnis der Relativitätstheorie zu gewinnen. Dazu wurden Werkzeuge entwickelt, die es erlauben, einfache Modelle relativistischer Welten mit Hilfe von Methoden unserer alltäglichen Erfahrungswelt wie Betrachten, Betasten oder Begehen zu erforschen.
In unserer Erfahrungswelt gibt es keine Koordinatensysteme. Ein wichtiges Ziel war daher, koordinatenfreie Darstellungen interessanter physikalischer Problemstellungen zu entwickeln, wie die (auch interaktive) Visualisierung einer relativistischen Modellwelt aus der Ich-Perspektive, maßstabsgetreue, "anfassbare" 3D-Modelle gekrümmter Räume oder die zeichnerische Darstellung globaler Kausalstrukturen.
Die verschiedenen Problemstellungen spiegeln sich in mehreren unabhängigen Projekten wieder. Das verbindendende Element ist die Suche nach einem intuitiven Zugang, was sich in der Koordinatenfreiheit der entwickelten Darstellungen ausdrückt.
In dem speziellrelativistischen Visualisierungsprojekt "Rollende Räder" wurde mit einem hierfür entwickelten vierdimensionalen Raytracingprogramm untersucht, wie ein fast lichtschnell rollendes Rad inklusive Schattenwurf relativistisch korrekt aussieht.
Für den "Relativistischen Flugsimulator" wurde basierend auf der Modellierung der Raumzeit mit dem Regge-Calculus ein neuartiges schnelles Real-Time Raytracing-Verfahren für gekrümmte Raumzeiten entwickelt. Das dimensionsunabhängige Verfahren ist allgemein gehalten und kann prinzipiell mit beliebigen Raumzeiten eingesetzt werden. In diesem Projekt wurde es in einem interaktiven Flugsimulator angewandt, der es erlaubt, in einem Wurmloch herumzufliegen, sich nach allen Seiten umzusehen und die Auswirkungen der Raumkrümmung auf die räumlichen Beziehungen einfacher geometrischer Objekte zu untersuchen.
Der Unterschied zwischen flachem Raum und gekrümmtem Raum wird haptisch erkundet im Projekt "Wir basteln ein Schwarzes Loch". Zur Konstruktion dreidimensionaler Modelle gekrümmter Räume wurde ein Bastelbogengenerator entwickelt, der einen basierend auf dem Regge-Calculus zerlegten gekrümmten Raum als dreidimensionales maßstabsgerechtes Pappmodell nachbaubar macht. Pappmodelle eines raumartigen Schnitts der gekrümmten Raumzeit um ein Schwarzes Loch verdeutlichen Grundbegriffe der Allgemeinen Relativitätstheorie wie Raumzeitkrümmung, Geodäten oder Paralleltransport. Aufgrund seiner intrinsischen Koordinatenfreiheit hat sich dieser Ansatz als Werkzeug zur Vermittlung der Grundgedanken der Relativitätstheorie bewährt.
Das Projekt "Fall in ein verdampfendes Schwarzes Loch" illustriert die in der Relativitätstheorie stark modifizierten Bedeutungen der Begriffe Zeit und Kausalstruktur. Lichtkegel-"Millimeterpapier" macht die Kausalstruktur einer Raumzeit deutlich, die aus mehreren Bereichen mit unterschiedlichen Metriken zusammengesetzt ist. Untersucht wurde die Frage, ob man in ein verdampfendes Schwarzes Loch hineinfallen kann, bevor es verdampft ist.
Das entwickelte allgemeinrelativistische Raytracingverfahren wird in der Astrophysik praktisch angewendet im Projekt "Lichtkurven von Röntgenpulsaren". Das für dieses Projekt für die Schwarzschildmetrik optimierte und durch ein adaptives Subsamplingverfahren auch für sehr hohe Bildauflösungen geeignete Verfahren eignet sich zur Berechnung des Strahlungsflusses der bei Röntgenpulsaren durch Akkretion von Materie erzeugten Strahlung. Das Verfahren erlaubt die Modellierung auch komplexer geometrischer Verhältnisse.
Die in den verschiedenen Projekten entstandenen Medien können hervorragend eingesetzt werden in Öffentlichkeitsarbeit und Didaktik. Die berechneten Filme und Modelle flossen in mehrere Einstein-Ausstellungen ein und werden als Unterrichtsmaterialien auf Lehrerfortbildungen und in Schulveranstaltungen eingesetzt.
Parallel wurde ein Webangebot aufgebaut, das Artikel, Bilder und Filme einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellt:
"Tempolimit Lichtgeschwindigkeit"
http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/
Abstract:
The ambition of this work is the development of an intuitive understanding of the theory of relativity. For this purpose, tools were developed that permit to explore simple models of relativistic worlds with the methods of everyday life: looking at things, touching things, moving around.
In our perception of the world, there are no coordinate systems. Therefore, it was an important objective to develop coordinate-free descriptions for interesting physical questions. Examples are the visualization of a relativistic model world from a first-person point of view (interactively and non-interactively), true to scale "touchable" 3D-models of curved spaces, and the graphic depiction of global causal structures.
These different approaches are developed in several independent projects. The linking aspect between them is the search for an intuitive access, resulting in a coordinate-free description.
The special relativistic visualization project "Rolling Wheels" uses a custom-built four-dimensional raytracer to investigate the visual appearance of a wheel rolling at nearly the speed of light (including shadows).
A novel real time raytracer for curved spacetimes was developed for the "Relativistic Flight Simulator". It is based on the Regge calculus description of the spacetime. This method is formulated in a general way and for an arbitrary number of dimensions; it can in principle be utilized for any spacetime. In this project it was used for an interactive flight simulator that permits to fly around in a wormhole, looking in all directions and exploring the impact of the curvature of space on the spatial relations of simple geometric objects.
The difference between flat space and curved space is explored haptically in the project "Building a Model Black Hole". In order to construct three dimensional models of curved spaces, a generator of cut-out sheets was developed that uses the segmentation of a curved space according to the Regge calculus and produces cut-out sheets for a three-dimensional true to scale paper model. Paper models of a spacelike hypersurface of the curved spacetime near a black hole illustrate basic concepts of the general theory of relativity like spacetime curvature, geodesics and parallel transport. Due to its intrinsic property of being coordinate-free, this approach has proven a valuable tool in teaching the basic ideas of the theory of relativity.
The project "Falling into an Evaporating Black Hole" illustrates the relativistic concepts of time and causality that are quite different from these concepts in everyday life. Lightcone-"millimetre paper" illustrates the causal structure of a spacetime that is composed of several regions with different metrics. This serves to investigate the question whether or not it is possible to fall into an evaporating black hole before it is fully evaporated.
The developed general relativistic raytracer is used in astrophysics in the project "Lightcurves of X-Ray Pulsars". For this project the method was optimized for the Schwarzschild case and made suitable for very high image resolution by the introduction of an adaptive subsampling method. It is suitable for calculating the radiation flux observed from accreting X-ray pulsars. The method allows to construct complex geometric models.
The media that resulted from the different projects can be very profitably used in public outreach and in physics education. The computed movies and models were part of several exhibitions on Albert Einstein and they are used as teaching material in teachers' seminars and in schools.
In parallel a website was created that makes articles, images and movies available to the general public:
"Tempolimit Lichtgeschwindigkeit"
http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de/
English version: "Space Time Travel"
http://www.spacetimetravel.org/