Inhaltszusammenfassung:
In der vorliegenden Arbeit wurden die Gorgonopsia, eine Gruppe karnivorer Therapsiden aus dem Oberen Perm revidiert. Den Ausgangspunkt für diese neue Überarbeitung bildet das Gorgonopsidenmaterial der NOVACK-Kollektion, die sich am Geologisch-Paläontologischen Institut in Tübingen befindet. Diese Sammlung wurde in den 50er Jahren von VON HUENE begründet und besteht aus fossilen Tetrapoden, die in den 30er Jahren von NOVACK im Ruhuhu-Tal von Tansania ausgegraben wurden. Unter den Gorgonopsiden der NOVACK-Kollektion befinden sich acht gut erhaltene Stücke und neun Schädel oder Schädelfragmente, die zu unvollständig und/oder zu verwittert sind, um diagnostische Merkmale zu zeigen. Da ihre Alphataxonomie nicht geklärt werden kann, wird das Material als Gorgonopsia indet. betrachtet. Eines der sehr gut erhaltenen Exponate ist GPIT/RE/7113, das aus einem Schädel mit Unterkiefer und dem nahezu vollständigen Postcranialskelett besteht. In der Erstbeschreibung wurde das Tier als neue Art zur Gattung ‚Scymnognathus' gestellt (VON HUENE, 1950). SIGOGNEAU (1970) löste dieses Taxon jedoch auf und stellte GPIT/RE/7113 als Art A.? parringtoni zur Gattung Aelurognathus. Die genaue taxonomische Stellung blieb jedoch weiterhin unklar.
Eine neue detaillierte Untersuchung des Schädels ergab, dass das Stück keiner Süd-oder Ostafrikanischen Gattung zugeordnet werden kann. Dagegen ist eine deutliche Ähnlichkeit mit der Russischen Gattung Sauroctonus erkennbar, so dass GPIT/RE/7113 diesem Taxon als Art S. parringtoni zugeteilt wird. Damit konnte zum ersten Mal eine Verbindung zwischen der Afrikanischen und Russischen Biozone festgestellt werden.
Die Alphataxonomie der restlichen Stücke aus der NOVACK-Kollektion wurde im Zuge der Neubearbeitung der Gorgonopsia ebenfalls geklärt. Diese neue Untersuchung hat das Ziel anhand von morphologischen Strukturen bestimmte Taxa zu kombinieren, die ich als nicht genügend gegeneinander abgegrenzt betrachte. Diese Klassifikation ermöglichte schließlich eine phylogenetische Analyse und zum ersten Mal ein modernes computergestützes Kladogramm. Die phylogenetische Untersuchung zeigt, dass die drei Gattungen Aloposaurus, Cyonosaurus und Aelurosaurus nicht in der Familie Gorgonopsidae mit eingeschlossen sind, sondern als Stammgruppenvertreter der restlichen Taxa angesehen werden müssen. Innerhalb der Gorgonopsidae konnte nur eine monophyletische Gruppe festgestellt werden, die der Subfamilie Rubidgeinae. Alle übrigen Taxa hingegen weisen ein kontinuierliches Entwicklungsmuster auf ohne weitere monophyletische Gruppen zu bilden. Jedes Taxon verdeutlicht eine eigene Entwicklungsstufe und das jeweils höher abgeleitete ging sehr wahrscheinlich aus dem primitiveren hervor ohne weitere monophyletische Gruppen zu bilden.
Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit funktionsmorphologischen Aspekten wie dem Kieferapparat und der Funktionsweise der Extremitäten und Gürtel. Als Ausgangspunkt für diese Studien diente wiederum GPIT/RE/7113, da das Postcranialskelett in guten Zustand ist und detaillierte Untersuchungen erlaubt. In Gegensatz zu KEMP (1982) postuliere ich, dass Gorgonopsiden nicht nur mit dem Hinterbein zu dem so genannten ‚dual-gait' fähig waren, sondern auch mit dem Vorderbein. Diese Hypothese wird durch die Morphologie des Humeruskopfes und der Artikulationsfläche der Schulter bestärkt. Die Artikulation ermöglicht durchaus eine Anzahl von Stellungen des Humerus. War der Humerus nicht horizontal sondern schräg artikuliert, konnte er sich in höherem Ausmaß drehen. Dies wiederum erzeugte eine größere Schrittlänge welche schließlich bei schnellerer Geschwindigkeit von Nutzen war.
Das Hauptaugenmerk lag jedoch bei der Lösung der Frage, ob der verlängerte Caninus in einem Gorgonopsiden und einer Säbelzahnkatze noch andere Gemeinsamkeiten im Schädel und Postcranialskelett mit sich bringt. Hierzu stellte ich einen Vergleich mit der Säbelzahnkatze Smilodon fatalis an. Beide Arten, GPIT/RE/7113 und Smilodon fatalis wurden darüber hinaus noch mit ihren jeweils nächsten Verwandten Gruppen, Therocephalen und Cynodontier, beziehungsweise Großkatzen, verglichen. Es zeigte sich, dass beide Tierarten verblüffende Ähnlichkeiten aufweisen, die jedoch zumindest im Schädel zum Großteil mit der Form des Caninen zusammenhängen. So ist der vordere Teil des Schädels relativ hoch, damit die lange Wurzel des Caninus untergebracht werden konnte. Die Incisivi sind bogenförmig angeordnet, um das Fleisch der Beute zusätzlich greifen zu können und außerdem gewährleistet eine solche Form mehr Stabilität für die Caninen während des Bisses. Schließlich ist das Kiefergelenk dahingehend modifiziert, so dass das Maul weit geöffnet werden konnte, damit die Beute zwischen die langen Caninen passte. Auch im Postcranialskelett gibt es Parallelen: Der Humerus ist kräftig mit gut entwickelten Muskelansatzstellen, um die Beute packen und festhalten zu können und die Halswirbelsäule ist vergleichsweise lang mit jedoch kräftigem Hinterabschnitt. Dies stabilisierte den Hals optimal und war sehr nützlich wenn das Tier seine zappelnde Beute vorne mit dem Maul packte.
Mit diesen neuen Informationen habe ich die Evolution und Funktionsmorphologie der Gorgonopsia weiter erhellt und Grundlagen für künftige Forschungen geschaffen. Weitere Untersuchungen und vor allem zusätzliches Material wären daher wünschenswert, um diese interessanten Säbelzahnräuber des Perm noch besser kennen zu lernen.
Abstract:
The Gorgonopsia, a group of carnivorous therapsids from the Upper Permian, is revised. The basis for this re-assessment is the gorgonopsian material from the NOWACK-Collection, which is housed at the Geologisch-Paläontologisches Institut Tübingen. The collection was founded by VON HUENE and consists of finds from the Ruhuhu- Valley in Tanzania that were discovered by NOWACK in the 1930s. It includes eight well-preserved gorgonopsian specimens and nine incomplete and eroded skulls, which do not show the diagnostic characters well enough to determine their taxonomic position. One of the best preserved specimens is an almost complete skeleton, GPIT/RE/7113. It was allocated to the genus 'Scymmnognathus' by VON HUENE (1950) but was later assigned to the taxon Aelurognathus? parringtoni by SIGOGNEAU (1970). A renewed investigation of the skull revealed that the specimen could not be allocated to any South or East African taxon, but rather to the Russian genus Sauroctonus. Thus, a true connection between the African and Russian biozones is established for the first time.
The alpha-level taxonomy of the other specimens in the NOWACK-Collection is resolved as a result of a re-assessment of the complete Gorgonopsia. This reassessment made it possible to carry out phylogenetic analyses, and present the first computer-based cladogram of the Gorgonopsia. It is shown that the family Gorgonopsidae does not include the genera Aloposaurus, Cyonosaurus and Aelurosaurus. Instead these taxa form the stem-group representatives of the remaining taxa. Within the Gorgonopsidae only the subfamily Rubidgeinae could be recognised whereas the other taxa constitute a gradual evolutionary pattern.
The second part deals with functional aspects of the Gorgonopsia, focusing on jaw mechanics and limb movements. Here GPIT/RE/7113 was used again as a basis for comparative research because its well-preserved postcranial skeleton enabled a thorough and detailed anatomical investigation
It is proposed that gorgonopsians were not only able to move in a dual gait fashion with the hindlimbs, as stated by KEMP (1982), but also with their forelimbs. The shape of the humeral head and the glenoid, which allow for a variety of positions, provide morphologic evidence for this hypothesis. In addition it is postulated that the animal was able to move faster when the humerus was placed at a sloping angle, because the humeral rotation would be more extensive, which in turn would increase the stride length.
The main interest, however, was the possibility that the enlarged canines of gorgonopsians and saber tooth cats might portend to further similarities in their skulls and postcranial skeletons. In order to investigate this idea, specimen GPIT/RE/7113 was closely compared with a specimen of Smilodon fatalis. In addition, both GPIT/RE/7113 and Smilodon fatalis were compared with their closest relatives, therocephalians and cynodonts, and Panthera leo, respectively. It is shown that the skull morphology is highly modified to be able to accommodate the high root of the caninus, that the incisivi are arranged in a parabolic arch to serve as an additional gripping device, and that a specialised jaw mechanism allows for a wide gape. In the postcranial skeleton, the massive humeri display well-developed muscle attachment areas and the necks are elongated with a stable posterior region, possibly to enable them to carry out a precise throat bite.
With this new information on phylogeny and functional morphology gorgonopsian evolution can be re-evaluated, which is essential for future studies on the group. However, more research and especially more material is needed to make additional contributions to the knowledge of these saber-toothed predators.