Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit “Über die Anwendung und Modifikation des Hillschen Muskelmodells in der Biomechanik” beschäftigt sich zunächst mit der Anwendung des Hillschen Muskelmodells bei Computersimulationen eines Mehrkörper - Muskel - Skelett - Systems (MKS). Konkret wird beispielhaft gezeigt, welche Arbeitsschritte notwendig sind, um eine Simulation eines menschlichen Sprungs aus der Hocke getrieben durch Muskelkräfte Hillscher Muskeln zu simulieren und welche zusätzlichen Fragen die Computersimulation hierbei beantworten kann. Anschließend werden die vorgestellten Arbeitsschritte angewandt, um ein valideres Computermodell des Hillschen Muskels zu erstellen, das ein bekanntes Defizit (Auftreten hochfrequenter Schwingungen) beseitigt. Dabei müssen Modifikationen am Standardmuskelmodell (Hill, 1938; van Soest und Bobbert, 1993) vorgenommen werden, um im Vergleich mit dem Experiment am isolierten Muskel konsistente Ergebnisse zu erzielen.
In dieser Arbeit wird der vorwärts-dynamische Ansatz zur Computersimulation
gewählt. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurde ein Hillsches Standardmuskelmodell zur Simulation eines menschlichen Sprungs aus der Hocke angewendet. Die Grundlage der Simulation war das MKS-Modell von Günther und Ruder (2003). Ziel der Untersuchung war es, dieses Modell, das zu Beginn der Arbeit im Stehen und Gehen bereits getestet und eingesetzt war, durch möglichst geringe Änderungen der Modellstruktur und der zugehörigen Parameter auch für die Computersimulation des Springens einzusetzen. Durch umfangreiche Experimente an Menschen im Labor wurde die Sprungsimulation durch den Vergleich der Bodenreaktionskraft, der Sprunggelenkwinkel, der Kniegelenkwinkel, der Schwerpunktkoordinate und von Oberflächenelektromyogrammen validiert. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass trotz der unterschiedlichen Bewegungsarten in die Hocke gehen versus Springen, auch diese beiden Bewegungsarten zusätzlich zu den bereits vorhandenen Stehen und Gehen nun mit diesem Modell valide simuliert werden können. Da das Springen funktioniert (bis auf genannte Einschränkungen), kann die erfolgreiche Simulation auch als weiterer Test der Funktionsfähigkeit des lamda-Modells gesehen werden.
Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigte sich im Detail mit dem Versuch der Validierung eines Hillschen Muskelmodells, was nur durch Modifikationen an diesem Standardmodell gelingt. Dazu wurden sehr präzise durchgeführte Tierexperimente an einem Schweinemuskel (Wank, 2000) verwendet und in einem iterativen Prozess benutzt, um ein modifiziertes Hillsches Muskelmodell zu validieren. Die bedeutendste Modifikation, die nebenbei auch zur numerischen Effizienz von Simulationen unter Verwendung eines Hillschen Muskelmodells beiträgt, war die Einführung einer kleinen Dämpfung parallel zum SEE (seriell zur CE-PEE-Struktur). Diese Erkenntnis wurde gewonnen, indem in der Simulation verschiedene Dämpfungsmechanismen getestet wurden. Nur eine auf dem gesamten MTC verteilte Dämpfung und somit die Einführung einer seriellen Dämpfung (die Hillsche CE Formulierung enthält bereits Dämpfungsterme) konnte die Dynamik des Systems bei allen drei untersuchten Kontraktionsmodi (quick-release, konzentrisch und isometrisch) gut reproduzieren. Die vorgeschlagene Modifikation des Hillschen Standardmodells stellt eine entscheidende
Verbesserung für den Einsatz bei Mehrkörpersimulationen (Dämpfung unphysiologischer Schwingungen: effizientere numerische Berechnung und höhere physiologische Validität) dar. Es konnte durch diese Simulationen ein konsistenter Satz Muskelparameter gefunden werden, mit dem man in der Lage ist alle drei Kontraktionen in guter Übereinstimmung mit dem zugehörigen Experiment durch die Computersimulation zu reproduzieren. Diese Untersuchung bestätigt durchaus die Anwendbarkeit eines Hillschen Muskelmodells zur makroskopischen Beschreibung der Muskel-Sehnen-Dynamik bei Mehrkörpermodellen und stellt in Form eines modifizierten, aber weiter zu entwickelnden Hillschen Modells eine universell einsetzbare MTC-Dynamik dafür bereit.
Abstract:
The current work “Über die Anwendung und Modifikation des Hill’schen Muskelmodells in der Biomechanik” provides first, a work flow essential for valid computer simulation studies by using an established musculo-skeletal model (Günther und Ruder, 2003) to simulate a human squat jump. With the starting point model it was already possible to simulate a quiet stance and a human walk. The aim of the first part of this study was to force this model to jump by using the lambda-model (Feldman, 1974) as control algorithm (equilibrium point hypothesis: EPH). Second, the standard Hill-type muscle model was modified when trying to map output relations of a simulated muscle model to experimental data already published (Wank, 2000).
Here, the aim was to vary the standard muscle model structure by adding physiologically based damping elements in parallel and in series to the contractile element to eliminate one known deficit of Hill-type muscle models: high-frequency oscillations. This work uses a forward-dynamics approach for computer simulations.
In the first part of this work a standard Hill-type muscle model implemented in
a multi-scale musculo-skeletal model was used to simulate a human squat jump.
Extensive experimental data captured in an experimental study on humans served
as a validation basis. Ground reaction forces, ankle angles, knee angles, coordinates of the centre of mass, and surface electromyographies were compared. So, in spite of being completely different human movements (from stance to squat versus jumping) it is now possible to simulate both with the multi-scale musculo-skeletal model in addition to already done simulations for a quiet stance and human walking. Since, the simulation of a human squat jump was successful this work has to be acknowledged as a further test of the validity of the lamda-model.
Furthermore, the second part of the current work issues in detail the structure of a Hill-type muscle and suggests modifications. It is known that high-frequency vibrations e.g. induced by legs impacting with the ground during terrestrial locomotion can provoke damage within tendons or even lead to ruptures. However, established macroscopic models of the contractile machinery of the muscle can not account for the necessary and observed high-frequency damping at low-amplitudes. This study formulates an alternative hypothesis: low but significant viscosity of the passive material in series to the contractile machinery may well suffice to damp these hazardous
vibrations. Already published muscle contraction experiments of a piglet muscle tendon complex (MTC) in three contraction modes (Wank, 2000) were compared to respective computer simulations. By varying the model in introducing either linear damping in parallel or in series to the CE modifications of the contraction dynamics are identified. The comparison revealed that serial damping at a physiological magnitude suffices to explain damping of high-frequency vibrations of low amplitudes. Additionally, due to suppressed eigenoscillations Hill-type muscle models taking into account serial damping are numerically more efficient when used in macroscopic
biomechanical neuro-musculo-skeletal models.