Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Studie wurde entwickelt, um die Unterschiede zwischen deutschen und brasilianischen Kindern während ihrer Latenzzeit hinsichtlich ihrer soziokulturellen Identität, ihrer emotionalen Organisation und der Qualität ihrer Identifikationen mit ihren Eltern mit Hilfe eines standardisierten Spielinstruments zu untersuchen. Die mögliche Rolle der Eltern als ein kultureller Filter für zwischenkulturelle Unterschiede wurde ebenfalls untersucht. Die Stichprobe enthielt zwei Gruppen: eine aus Brasilien und eine aus Deutschland. Jede Gruppe bestand aus 41 klinisch unauffälligen Kindern (23 Jungen und 18 Mädchen) und 41 Elternpaaren. Das Altersspektrum der brasilianischen und der deutschen Gruppe reichte von 6 bis 8 Jahren (mit einem Durchschnitt bei 7.3, resp. 7.5 Jahren und einer Standardabweichung von 0.4, resp. 0.6 Jahren). Der sozioökonomische Hintergrund beider Gruppen war vergleichbar. Die Kinder wurden mit der MacArthur Story Stem Battery (MSSB: Emde et al., 1990, 2003) untersucht und zur Auswertung (einem Rating) wurden eine etablierte Auswertungsmethode (Günter et al., 2001) und weitere, in Tübingen entwickelte Auswertungskategorien (Franieck et al. 2003) verwendet. Die Eltern füllten die Child Behaviour Checklist und einen für diese Untersuchung entwickelten Fragebogen, den Family Organization and Parents' Expectations Inventory (FOPEI), aus. Der FOPEI wurde entwickelt, um zu erfahren, was Eltern über die Einstellungen und Gefühle ihrer Kinder denken und was sie von ihren Kindern erwarten, damit diese gut für ihren "Kampf im Leben" vorbereitet sind. Die Intergruppenvergleiche wurden mit einem Mann-Whithey-U-Test berechnet und rangskalierte Variablen wurden gemeinsam in einer multiplen linearen Regression getestet. Die Werte der MSSB, die die Fähigkeit zur emotionalen Regulation, Verhaltensstörungen, narrative Kohärenz und negative Elternrepräsentationen wiedergaben, unterschieden sich in der brasilianischen und deutschen Stichprobe nicht signifikant voneinander. Allerdings zeigten die brasilianischen Kinder höhere Wertungen in Skalen, die pro-soziales Verhalten, Idealisierung der Familie und Vermeidung von Konfliktsituationen erfassten. Die Konfliktvermeidung wurde als Misstrauen gegenüber einer feindlichen / gewalttätigen / gewalthaften Umgebung interpretiert. Brasilianische Eltern gaben an, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit als deutsche Eltern die täglichen Aktivitäten ihrer Kinder in der Weise organisierten, dass diese nicht alleine seien, und dass sie höhere Erwartungen an ihre Kinder hinsichtlich deren pro-sozialen Verhaltens, deren pro-sozialen Einstellungen und Gefühle stellten. Die Antworten der deutschen Eltern zeigten, dass sie die Individualität ihrer Kinder und deren Eigenverantwortung förderten, und dass sie mehr individuelle Verhaltensweisen als Einstellung / Gefühle erwarteten. Die Ergebnisse deuten auf ein kulturelles Muster der brasilianischen Eltern und deren Kinder hin, das vielleicht als ein "Modell der Gruppe" oder ein "Modell der Familienidealisierung" charakterisiert werden könnte. Dieses könnte eine sichere Umwelt vermitteln, die - angesichts der gesellschaftlichen Gewalt außerhalb der Familie - seelische Gesundheit wie die soziale Entwicklung der Kinder fördert. Im Gegensatz dazu legten deutsche Eltern und Kinder mehr Betonung auf ein "Modell der individuellen Kompetenz". Diese empirisch gewonnenen Daten zeigen neue Aspekte auf, mit welchen die sozialen Identifikationsmuster von Kindern in der frühen Grundschulzeit besser verstanden werden können.
Abstract:
This study was designed to explore differences between German and Brazilian latency children in their socio-cultural identity, emotional organization and quality of their identification with parental figures, using a standardized play assessment. The possible role of parents as a cultural filter in explaining cross cultural differences was also examined. The sample comprised two groups: one from Brazil and the other from Germany. Each group was composed of 41 non-clinical children (23 boys and 18 girls) and 41 parental couples. The age range of groups was 6 to 8 (Brazilian group mean age 7.3, SD 0.4 and German group mean age 7.5, SD 0.6) and they were from similar socio-economic backgrounds. Children were assessed using the MacArthur Story-Stem Battery (MSSB: Emde et al. 1990, 2003), and ratings were made using an established scoring method (Günter, et al, 2001) and further codes developed in Tübingen (Franieck, et al 2003). Parents completed the Child Behaviour Checklist and a questionnaire created for this study, the Family Organization and Parents' Expectations Inventory - FOPEI (Franieck, 2002). The FOPEI was designed to assess what parents think about their child's attitudes and feelings and what they would expect from the child in order to be equipped for the "struggle for life". The comparisons between the groups were made using Mann-Whitney-U-Test and ranked variables were assessed jointly in multiple linear regression. Scores from the MSSB reflecting emotional regulation capacity, behavioural disturbance, narrative coherence and negative representations of parents did not differ significantly between the Brazilian and German groups. However Brazilian children had significantly higher scores on scales assessing pro-social behaviours, idealization of the family, and avoidance of conflict situations. This avoidance of conflict was interpreted as mistrust of a violent environment. Brazilian parents reported that they are more likely than German parents to organize daily activities to ensure that their children are not by themselves, and that they have higher expectations regarding pro-social actions and attitudes and feelings of their children. The responses of the German parents indicated that they promoted their children's individuality and self responsibilities, and that they expected more individual actions as attitude/feelings of their child. The results suggest that the cultural patterns of Brazilian children and their parents may be characterised by a "group model" or "family idealization model". This may provide a secure environment that promotes health mental and social development to the child, in the face of social violence outside the family. By contrast German parents and children give more emphasis to an "individual competence model". Empirical data reveal new aspects to better understand the child's social identification in the early school time.