Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Studie liefert empirische Evidenz für die Annahme von umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten als Manifestation einer auffälligen neuropsychologischen Entwicklung. Von allen untersuchten neuropsychologischen Funktionen erwies sich die phonologische Verarbeitung, insbesondere die phonologische Bewusstheit, als die am höchsten diskriminative Variable für umschriebene Lernstörungen im Lesen und/ oder Rechtschreiben sowie in der kombinierten Form mit Rechenstörungen. Darüber hinaus ergab die Individualanalyse der neuropsychologischen Funktionen, dass 75.9% der Kinder mit Lese- und/ oder Rechtschreibstörung sowie 80% der Kinder mit kombinierter Störung schulischer Fertigkeiten Defizite in mindestens drei der untersuchten Funktionsbereiche Aufmerksamkeit/ exekutive Funktionen, Sprache, sensomotorische Funktionen, visuoräumliche Verarbeitung sowie Lernen/ Gedächtnis aufwiesen. Weiterhin zeigten die Kinder mit Lese- und Rechtschreibstörung erhöhte Ausprägungen auf den internalisierenden Verhaltensauffälligkeiten sozialer Rückzug und soziale Probleme sowie häufiger Aufmerksamkeitsprobleme. Eine erhöhte Unaufmerksamkeit ließ sich auch bei den Kindern mit kombinierten Störungen schulischer Fertigkeiten feststellen. Vor dem Hintergrund der assoziierten Funktionsdefizite werden Anforderungen an eine Diagnostik formuliert, die eine differenzierende, über die schulische Symptomatik hinausgehende Beurteilung des neuropsychologischen Entwicklungsstandes des Kindes beinhaltet. Der Gewinn liegt einerseits in einer valideren Diagnostik und Differentialdiagnostik von umschriebenen Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten, andererseits wird eine Basis zur Erstellung eines Frühförderkonzeptes bzw. einer Therapiekonzeption ermöglicht.
Abstract:
The results of this study provide empirical evidence for the assumption of specific learning disorders manifesting an abnormal neuropsychological development. Of all examined neuropsychological functions phonological processing, especially phonological awareness, has shown to be the most sensitive predictor of specific learning disabilities concerning reading and/ or spelling as well as with comorbid mathematics disabilities. Individual analyses of the neuropsychological functions revealed that 75.9 % of students with reading and/ or spelling disorders and 80% of students with reading/ spelling and mathematics disorders had deficits in at least three of the assessed functional domains including attention/ executive function, language, sensorimotor function, visual-spatial processing and memory/ learning. The psychosocial data indicated that dyslexia in students is associated with higher rates of internalizing symptoms (withdrawn, social problems) and attentional problems. Children with combined learning disorders in reading, spelling and arithmetic also exhibited concomitant attentional difficulties. The deficits in neuropsychological functions indicate that diagnostic tests of academic achievement related difficulties are required assessing the neuropsychological development of children referred for evaluation. Thus, neuropsychological functioning may be a valid dimension for the differential diagnosing of specific learning disabilities and may be useful in producing guidelines for early prevention and intervention.