Lautdiskrimination natürlicher und akustisch modifizierter Sprache bei Kindern mit Lese-Rechtschreibstörung

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-13032
http://hdl.handle.net/10900/48615
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2004
Originalveröffentlichung: ISBN 3-86541-054-5
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Informations- und Kognitionswissenschaften
Gutachter: Preilowski,Bruno
Tag der mündl. Prüfung: 2004-06-30
DDC-Klassifikation: 150 - Psychologie
Schlagworte: Legasthenie , Hörtraining
Freie Schlagwörter: Lautunterscheidung , Fast ForWord , akustische Modifikation , auditiv-zeitliche Verarbeitung , Sprachmodifikation
dyslexia , temporal processing , Fast ForWord , sound discrimination , auditory training , speech modification
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

In der Forschungsliteratur sind ätiologische Modelle vorgeschlagen worden, die Defizite der auditiv-zeitlichen Verarbeitung akustischer Reize als eine wesentliche Ursache von Sprachentwicklungsstörungen betrachten. In Erweiterung dieser Modelle sollen auch Störungen des Erwerbs schriftsprachlicher Kompetenzen, insbesondere die Lese-Rechtschreibstörung, durch derartige Defizite verursacht werden. Auf dieser Grundlage wurden akustische Sprachmodifikationen entwickelt, die Sprachsignale so modifizieren sollen, daß etwaige Störungen der auditiv-zeitlichen Verarbeitung kompensiert und dadurch insbesondere die Wahrnehmung und Verarbeitung von Sprachlauten verbessert werden sollen. Üblicherweise umfassen diese akustischen Modifikationen eine zeitliche Dehnung als auch eine spezifische Betonung einzelner Komponenten der Hüllkurve der Sprachsignale. Bisherige Trainingsstudien legen bereits nahe, daß ein Training mit akustisch modifizierter Sprache zumindest bei einigen Kindern den Lernfortschritt gegenüber gleichen Trainingsmaßnahmen mit unmodifizierter Sprache beschleunigen könnte. In der hier vorliegenden Untersuchung konnte nun gezeigt werden, daß die vorgeschlagenen akustischen Modifikationen im direkten Vergleich zu unmodifizierter Sprache Lautunterscheidungsleistungen im Gegensatz zur ursprünglichen Annahme reduzieren. Dies betraf die hier untersuchten deutschsprachigen Kinder der 3. und 4. Grundschulklassen sowohl ohne als auch mit Lese-Rechschreibstörung. Die Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung schnitten in Tests zur phonologischen Bewußtheit, beim Nachsprechen von Kunstwörtern als auch bezüglich der hier als Maß auditiv-zeitlicher Leistungen verwen-deten Gap-Detection-Schwellen schwächer ab als Kinder ohne Lese-Rechtschreibstörung. Daher wurde gemäß der zugrundegelegten Hypothese angenommen, daß diese Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung zumindest relativ stärker von den akustischen Modifikationen profitieren sollten als die unauffälligen Kinder. Auch diese Annahme wird durch die Daten dieser Studie nicht unterstützt, da das Ausmaß der Reduktion der Leistungen im Lautdiskriminationstest für beide Gruppen voneinander nicht signifikant verschieden ausfiel. Eine entsprechende Untersuchung verschiedener Teilkomponenten, aus denen sich diese akustischen Modifikationen zusammensetzen, zeigte zudem, daß vor allem eine Betonung mittelhoher Frequenzen von Sprachsignalen in Zusammenhang mit einer Betonung sich schnell verändernder Anteile der Hüllkurve dieser Sprachsignale eine mit der vollständigen akustischen Modifikation vergleichbare Reduktion der Lautunterscheidungsleistungen zur Folge hatte. Keine der Teilkomponenten konnte die Lautdiskriminationsleistungen signifikant verbessern. Diese Befunde stellen daher die bislang vermuteten Wirkmechanismen akustischer Modifikationen im Rahmen von Trainingsprogrammen in frage. Sollten die vorliegenden Ergebnisse nicht durch spezifische Eigenschaften der deutschen Sprache oder durch spezifische Eigenschaften der untersuchten Kinder bezüglich auditiv-zeitlicher Verarbeitungsleistungen beeinflußt sein, so könnten diese Daten auf eine besondere Rolle sekundärer, insbesondere aufmerksamkeitsbezogener und motivationaler Effekte der akustischen Sprachmodifikationen in Trainingsprogrammen hindeuten. Für zukünftige Untersuchungen wird daher empfohlen, derartige sekundäre Effekte mitzuerfassen. Die Ergebnisse dieser Studie legen weiterhin nahe, daß Trainingsmaßnahmen mit in der Qualität reduzier-ten Sprachstimuli im Rahmen einer hochmotivierenden Lernumgebung einen besonderen Nutzen zeigen könnten. Entsprechende Unter-suchungen könnten daher zu einer neuartigen Gattung von Trainingsprogrammen führen. In diesem Sinne wird ein besonderer wissenschaftlicher Wert der vorliegenden Ergebnisse sowohl auf Ebene der Theoriebildung als auch auf der Ebene der praxisorientierten Weiterentwicklung von Verfahren zur Therapie von Lese-Rechtschreibstörungen gesehen.

Abstract:

Aetiological models have been claimed that suggest that auditory temporal processing deficits may form a major cause for specific language impairments. These models also have been expanded to reading and/or writing impairments like dyslexia. Acoustical modifications of speech have been proposed that are expected to bypass such auditory temporal processing deficits. Therefore, the basic assumption is that these acoustical modifications should enhance the perception and processing of speech sounds. Typically, these acoustical modifications consist of lengthening speech sounds and of differentially enhancing specific components of the speech signals and their envelopes. Thus far, different studies have shown that such acoustical modifications may increase the training efficiency of computer-based language training programs. This study directly compared German-speaking children with respectively without reading and/or spelling impairments in the 3rd and 4th grade in respect to their speech sound discrimination performances of modified speech versus natural, unmodified speech. In contrast to the basic hypothesis, the acoustical modifications decreased the speech sound discrimination performances for both normal children without as well as for dyslexic children with reading and/or spelling impairments. The impaired children showed lower performances compared to the unimpaired children in tests of phonological awareness, in reproducing nonsense words, as well as in regard to a gap detection test that was used as measure of auditory temporal processing capabilities. Since the dyslexic children on average showed greater difficulties in the language-related tasks and in gap detection, they were expected to profit more from the suggested acoustical modifications in accordance with the basic hypothesis. Data did not support this expectation, as the reduction of the number of correct responses in the speech discrimination task did not differ significantly from unimpaired children. Furthermore, using only components of the acoustical modification algorithm, neither component could improve the speech sound discrimination performances significantly. Emphasizing midrange frequencies in combination with enhancing components of the speech signals’ envelopes resulted in detrimental effects that were comparable to the complete acoustical modification. Unless our data are subject to specific properties of the German language or to specific properties in temporal processing of our children, these data seem to question the hitherto supposed mechanism of action. Further research should therefore especially focus on other than speech-related, e.g. attentional and motivational, concomitants of acoustical modifications. In particular, these findings might motivate future research on training children with sound-distorted speech within a highly motivating environment. Such research could lead to a new class of training programs for dyslexic children. Therefore, this study might influence future research on a theoretical as well as on an application-oriented level.

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