Inhaltszusammenfassung:
In Alltagshandlungen und exekutiven Testaufgaben enthaltene haptische Wahrnehmungsleistungen werden bisher selten Gegenstand der neuropsychologischen Untersuchung. Es fehlen geeignete haptische Tests, die über das Niveau der Stereognosieprüfung von Einzelobjekten hinausgehen. In der Studie wurden vier standardisierte haptische Aufgaben und ein Test zur Sensibilitätsprüfung 56 gesunden Versuchspersonen und 78 Patienten mit schweren erworbenen Hirnschädigungen vorgelegt. Es wurde geprüft, ob die Testaufgaben in eine hierarchische Abstufung aufgrund ihrer Komplexität und Schwierigkeit einzuordnen sind und ob sich aus der Abstufung der Testaufgaben differenzierte Störungsprofile der Patienten ergeben.
Die Tests konnten entsprechend ihres Komplexitätsindex hierarchisch geordnet werden. Zwei Schwierigkeitsstufen mit einfachen vs. komplexen Tests wurden differenziert. 69 % der Patienten wurden vier typischen Störungsprofilen zugeordnet. Schwere Leistungsstörungen wurden im Rahmen eines Modells des Leistungsabbaus nach Hirnschädigung als Rückgang auf ein niedrigeres Niveau der haptischen Wahrnehmungsorganisation interpretiert. Die Ergebnisse wurden im Hinblick auf das klassische Konzept der taktilen Agnosie mit ihrer lokalisatorischen Bedingung einer Schädigung im posterioren Parietallappen diskutiert. Vier Patienten mit und 9 Patienten ohne parietale Läsion aus der Studie wiesen die Leistungsdissoziation einer taktilen Agnosie auf. Es wird dafür plädiert, neuropsychologische Störungen nach Leistungsausfällen zu definieren und sie von lokalisatorisch definierten Syndromen abzugrenzen. Für die klinisch beobachtbaren und messbaren haptischen Leistungsstörungen wird die neuropsychologische Definition „haptisch- räumliche Wahrnehmungsstörungen“ vorgeschlagen.