Inhaltszusammenfassung:
Bei den Studien zu dem Buch "Neue Siedlungen"1 beschäftigten wir uns ausgiebig mit dem Namenmaterial - vielleicht etwas zu ausgiebig. Möglicherweise spielte dabei das Erbe der Germanistik eine Rolle, das in der Volkskunde ja in mannigfacher Weise wirksam wird. Aber es schien uns immerhin wichtig zu überprüfen, wie sich ganz verschiedene Stellen und verschiedene Leute darum bemühten, überhaupt neue Namen für Straßen, Plätze, Häuser und Viertel der neuen Siedlungen zu finden, wie auf diese Weise gelegentlich ziemlich phantastische Namenbündel entstanden, wie die neuen Namen teilweise akzeptiert, teilweise auch zurückgewiesen und durch andere Namen ersetzt wurden, und wie solche Namen aus der Perspektive der Einheimischen und der Perspektive der Zuwanderer in
charakteristischer Weise verschieden beurteilt wurden. Auf die Behandlung solcher Namenprobleme bezog sich die folgende lapidare Bemerkung, die in einer kritischen Rezension des Buches enthalten war: "Seit wann fallen denn derartige, absolut von Behörden, Komitees usw. geleiteten Dinge auch nur im mindesten in unseren Bereich ? Sie gehören den Gebieten des Verstandes, des Willens an, und nicht im geringsten den Bezirken volkstümlicher Geistigkeit".2 Hier wird nicht nur mit einem überholten psychologischen Schichtmodell gearbeitet; dies ist auch ein charakteristisches Beispiel für das in der Volkskunde (und nicht nur in der Volkskunde!) weit verbreitete Mißtrauen gegen alles, was mit Organisation
zu tun hat.