Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Dissertation zum Thema „Theoretische und Empirische Aspekte der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen“ beschäftigt sich mit den Effekten der Besteuerung von realisierten Wertsteigerungen beim Anteilsverkauf. In dieser Arbeit werden zum einen normative (Manuskript 1) sowie steuerplanerische Ansätze (Manuskript 2 und 3) modelltheoretisch untersucht, zum anderen werden empirisch die Auswirkungen der Veräußerungsgewinnbesteuerung auf Anlageentscheidungen (Manuskript 4) sowie die Gesamtsteuerbelastung von Individuen (Manuskript 5) analysiert.
Im ersten Manuskript werden anhand eines einfachen Wachstumsmodells unter Sicherheit die Steuerwirkungen der Veräußerungsgewinnbesteuerung beim Anteilshandel in verschiedenen Entscheidungssituationen untersucht. Die Veräußerungsgewinnbesteuerung induziert neben der Körperschaft- und der Einkommensteuer auf die Ausschüttungen eine dritte Steuerbelastung einbehaltener Gewinne im Fall des Anteilshandels zwischen Privatpersonen. Im Gegensatz dazu kann in einem klassischen Körperschaftsteuersystem bzw. in einem Shareholder-Relief-Verfahren die Steuerbelastung auf Ausschüttungen gesenkt werden, wenn man anstelle von Dividenden den Aktienrückkauf als Ausschüttungsweg wählt. Werden in einem Steuersystem Dividenden steuerfrei gestellt, führt die Veräußerungsgewinnbesteuerung beim Aktienrückkauf hingegen zu einer ungewollten Doppelbelastung von Unternehmensgewinnen. Die Umsetzung einer entscheidungsneutralen Veräußerungsgewinnbesteuerung erfordert daher die Abgrenzung der Aktienrückkäufe von anderen privaten Veräußerungsgewinnen, wie es beispielsweise die Einführung einer zweiten Handelslinie für Aktienrückkäufe nach Schweizer Vorbild ermöglicht.
Das zweite Manuskript untersucht den Einfluss steuerlicher Verlustvorträge auf die Bewertung von Unternehmen bei der Grenzpreisermittlung von Kapitalgesellschaften im Rahmen von Verkaufsentscheidungen. Es zeigt sich, dass der Verlustuntergang nach § 8c KStG grundsätzliche eine transaktionshemmende Wirkung zur Folge hat. Durch eine Erweiterung des Share-Deals um eine zeitlich vorgelagerte Asset-Deal-Komponente können Verlustvorträge in Abschreibungsmasse transformiert und vom Erwerber weiterhin genutzt werden. Hierdurch können die negativen Wirkungen des § 8c KStG weitgehend beseitigt werden.
Im drittem Manuskript wird gezeigt, dass die durch den Untergang von Verlustvorträgen bei Anteilsveräußerungen ausgelösten Negativeinflüsse auf Anteilshandel und Investitionsneigung nicht nur durch die Erweiterung des Share-Deals um eine Asset-Deal-Komponente, sondern auch durch die Wahl des Verkaufszeitpunkts oder durch Bilanzpolitik abgeschwächt werden können. I.d.R. ist hierbei vorteilhaft, Erträge früher zu realisieren bzw. Aufwendungen erst später geltend zu machen. Auf diese Weise wird Aufwandspotential nicht über Verlustvorträge, sondern über andere Mechanismen, wie etwa Abschreibungen, in die Zukunft transferiert. So hat z.B. die Wahl der linearen anstelle einer degressiven Abschreibung einerseits zwar einen geringen negativen Kapitalwerteffekt, andererseits kann sie bei einer späteren Veräußerung der Kapitalgesellschaft auch beachtliche Vorteile mit sich bringen.
Im vierten Manuskript wird empirisch der Einfluss der Besteuerung von Spekulationsgewinnen auf die Entscheidung zwischen der Realisierung von Veräußerungsgewinnen bzw. -verlusten und dem weiteren Halten des Anteils auf Grundlage einer 10%-Stichprobe aller 29 Millionen Steuererklärungen des Jahres 2001 untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass, wie erwartet, Steuerpflichtige mit einem hohen Grenzsteuersatz sowie einem hohen Einkommen vermehrt Veräußerungsverluste realisieren, während Veräußerungsgewinne innerhalb der Spekulationsfrist eher von Steuerpflichtigen mit niedrigen Grenzeinkommensteuersätzen deklariert werden.
Im fünften Manuskript wird das Ergebnis von Bach, Corneo, und Steiner (2008), dass die „Reichen“ im Verhältnis zu ihrem Einkommen nicht adäquat zum Steueraufkommen beitragen, kritisch analysiert. Bach, Corneo und Steiner ermitteln einen effektiven Steuersatz von 38% für das 0,001% Quantil der Einkommensverteilung, der somit weit unter dem höchsten Grenzeinkommensteuersatz von 48,5% liegt. Die Berechnungsgrundlage dieses Steuersatzes vernachlässigt aber zum einen die steuerliche Vorbelastung von gewerblichen Einkünften, Dividenden und Veräußerungsgewinnen mit Gewerbe- bzw. Körperschaftsteuer, zum anderen auch die intertemporalen Aspekte beispielsweise der Verlustverrechnung. Unter Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung sowie der Verlustverrechnung zeigt sich, dass die Steuerbelastung in Bach, Corneo und Steiner (2008) von 38% um über 12 Prozentpunkte unterschätzt wurde.
Abstract:
This dissertation entitled “Theoretical and Empirical Aspects of the Capital Gains Taxation” analyzes the effects of taxing capital gains. The first part of this work focuses on theoretical aspects in a normative approach (Chapter 1) as well as in a tax planning framework (Chapter 2 and 3). In the second part, two empirical studies are presented that analyze the influence of the capital gains taxation on investment decisions (Chapter 4) and on the overall income tax burden (Chapter 5).
Chapter 1 analyses for various corporate tax systems whether the capital gains tax distorts investment decisions and how tax effects could eventually be neutralized. In case of the disposal of shares between private investors the capital gains tax, the corporate tax and the income tax on dividends induce a triple taxation. On the contrary, distributing cash via share as opposed to dividends can lower the tax burden in a classical corporate tax system and a shareholder relief system respectively. These findings necessitate the differentiation between share repurchases and other realizations of stocks in order to establish a neutral capital gains tax. While the capital gains taxation on transactions between private investors has to be reduced, the taxation of capital gains from share repurchases and dividends should correspond.
Chapter 2 analyzes the impact of loss carry forwards on the valuation of companies. Using a simple decision model under certainty, the discard of loss carry forwards according to § 8c KStG causes severe distortions when selling majority shareholdings. However, loss carry forwards can be transformed into depreciable assets if the share deal is preceded by an asset deal. This policy may completely avert the distortions caused by the discard of loss carry forwards.
Chapter 3 documents that the negative impact of discarding loss carry forwards can also be mitigated by an optimal choice of the date of acquisition on the one hand and by earnings management on the other hand. Firm with loss carry forwards should bring forward earnings and postpone expenses to transfer expenses via depreciable assets as opposed to loss carry forward. For example, the choice of a linear depreciation instead of the declining balance method may cause a minor loss in the net present value, but can result in substantial advantages when the company with loss carry forward is sold.
Chapter 4 analyzes the impact of the capital gains taxation on the decision between the immediate or the deferred realization of taxable speculation gains and losses. A set of testable hypotheses is derived that takes aspects of uncertainty and the reluctance of realizing losses into account. The empirical analysis is based on a stratified 10% random sample of all 29 million German income tax declarations filed in 2001 and provides robust evidence for a significant and negative impact of both marginal tax rate and income on the investor’s propensity to realize capital gains as opposed to losses.
The contribution Bach, Corneo, and Steiner (2008) has argued that “the rich” do not pay taxes adequately in relation to their income, finding, for instance, an effective tax rate of only 38.1% for the 0.001% fractile of German income taxpayers in 2001. This result contrasts sharply with the legislated top marginal income tax rate of 48.5%. Chapter 5 subjects the results contained in Bach, Corneo, and Steiner (2008) to a rigorous analysis: major flaws and inconsistencies with regard to methodology are found, i.e. the omission of corporate taxes and intertemporal aspects of taxation. Restating basic rules for the measurement of effective tax rates, chapter 4 shows that the headline result in Bach, Corneo, and Steiner (2008) of 38.1% is underestimated by over 12 percentage points.