Inhaltszusammenfassung:
Vor ungefähr zwanzig Jahren verbrachte ein Hamburger Student zwei Semester an der Universität Tübingen, um dort Volkskunde zu studieren. Er wohnte in Unterjesingen bei einer frommen Witwe, die nicht nur regelmäßig zu ihrer Erbauung die „Stunde" besuchte, sondern die auch ihren Mieter immer wieder freundlichunerbittlich auf die Fragwürdigkeit aller weltlichen Verrichtungen hinwies. Der junge Hamburger wurde dadurch zwar nicht schlechthin bekehrt; aber der Einfluß war doch keineswegs folgenlos: er bestimmte nämlich weithin die Perspektive — vielleicht könnte man auch sagen das Erkenntnisinteresse — des Studenten. Ganz gleich, worüber im Seminar oder auf Exkursionen gesprochen wurde, die Neigung der schwäbischen Mundart zur Verkleinerung, die Ausbreitung des Adventskranzes, die Entwicklung des gestelzten Einhauses in Württemberg, die Widerstände gegen die Flurbereinigung, die Vorliebe der Gesangvereine für Silcherlieder — mit verläßlicher Regelmäßigkeit stellte der Hamburger Student seine Schlüsselfrage, ob denn an der betreffenden Erscheinung oder Entwicklung nicht in erster Linie der schwäbische Pietismus schuld sei.