Inhaltszusammenfassung:
Es wird zunächst begründet, auf welche Herausforderungen eine moderne Armutspolitik Antworten geben können müsste, um diesen Namen zu verdienen. Dabei dienen die Herausforderungen als Sieb, um die politisch allzu leichtgewichtigen Umbauvorschläge auszuschließen und die normativen Grundlinien einer besser ausgearbeiteten armutspolitischen Programmatik in Ansätzen zu verdeutlichen. So werden im zweiten Teil zwei Modelle vorgestellt, die beide zugleich schon relativ weit ausgearbeitete Vorstellungen des notwendigen institutionellen Transformationsprozesses beinhalten. Im dritten Teil wird das Plädoyer in eine größere Umbauperspektive eingeordnet und eine scharfe Abgrenzung gegenüber einem großen Spektrum der Reformmodelle vorgenommen.
Aber der Grundsicherungsansatz macht im Aufsatz mehr als deutlich, wie weitgehend die Losung: "das soziale Sicherungssystem armutsfest machen" Leitlinie einer integrierten Armuts- und Sozialpolitik sein könnte. Auch wenn der Ausgangspunkt "Armutsfestigkeit" nicht das Hauptanliegen des Bürgergeldes ist, zeigt die Gegenüberstellung beider Konzepte - Bürgergeld und Grundsicherung - einige durchaus verblüffende Einsichten:
- Sie fordern in vielen Punkten gleichlautende Rationalitäten.
- Sie verschränken das, was Leibfried und Tennstedt als ebenso geschichtsmächtige wie fatale Spaltung zwischen Armen- und Arbeiterpolitik analysiert haben. Immerhin: Eine solche Konvergenz könnte für die Suche nach tragfähigen Mehrheiten entscheidend sein.
Im "Systemvergleich" bleiben allerdings zu viele Ungereimtheiten auf Seiten des Bürgergeld: in puncto Substanz, in puncto Umsetzung und in puncto Realitätsgehalt. Insbesondere greift die Definition von Bedürftigkeit als negativer Leistungsfähigkeit bei einer schematischen transferbezogenen Operationalisierung entschieden zu kurz. Denn wer noch leistungsfähig ist, Einkommenssteuer zu zahlen, muss deswegen noch lange nicht bedürftig sein, um Sozialtransfers zu erhalten. Wer nicht bedürftig ist, muss noch nicht steuerlich leistungsfähig sein. Die Stärke der 13-Punkte-Strategie der vorgeschlagenen Grundsicherung ist die Möglichkeit des "peacemeal engineering" (Hauser) - der Möglichkeit schrittweiser Implementation also, die auch nach finanziellen Maßgaben gestreckt werden kann, steht nichts entgegen. Einer weitreichenden NES-Vorstellung stünden demgegenüber weit massivere Hemmnisse entgegen. Bewusst wird nicht eine tiefgreifende Systemreform weg vom vielfach gegliederten Leistungssystem riskiert, deren Auswirkungen kaum zu kalkulieren wären. Auch die Umstrukturierungsprobleme auf Seiten des Staates wären um ein erhebliches geringer als bei einer anspruchsvollen und sozial ausgewogenen Bürgergeld-Strategie.