Inhaltszusammenfassung:
Der Umbau des Sozialstaats in "aktivierender" Absicht konfrontiert auch die höheren Lebensalter mit neuartigen programmatischen und institutionellen Anforderungen. Die vom "sorgenden Staat" der Nachkriegszeit organisierte Entpflichtung der älteren, nicht (mehr) erwerbstätigen Generation weicht zunehmend einer sozialpolitischen Programmatik der aktivgesellschaftlichen "Responsibilisierung" der Älteren. Hinsichtlich des "dritten Alters" äußert die Aktivierung und Responsibilisierung sich in Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit, zur Absenkung des Rentensicherungsniveaus und zur Nutzung der "Produktivität des Alters" auch jenseits des Erwerbslebens. Und auch vor dem "vierten Alter", macht die Programmatik der Aktivierung nicht Halt – sei es in Gestalt von Strategien aktiven Ansparens reziproker Rückerstattungsansprüche in informellen Unterstützungskonten (etwa in seniorengenossenschaftlichen Zeitgutschriften), sei es in Form immer raffinierterer Unterstützungen der Selbstunterstützungskompetenzen und -netze, sei es dienstleistungsbezogen in der Rationalität des "User Involvement" und in noch effizienteren Settings wohlfahrtsgemischter Koproduktion. Die gesellschaftspolitische Tendenz, zunächst die Personen des erwerbsaktiven Zentralalters als "Unternehmer ihrer selbst", ihrer Arbeitskraft und ihrer Daseinsvorsorge, zu definieren, macht somit auch vor der Altenpolitik nicht Halt – deren Adressaten werden in ähnlicher Weise zum Ziel eines politisch wie medial konstruierten Bildes vom alten Menschen als "Alterskraftunternehmer", als Aktivist einer selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Lebensführung.
Der Aufsatz versucht, dieses radikalisierte Programm als solches dingfest und beschreibbar zu machen. Die realen Wirkungen des Programms aber sind zudem zu reformulieren aus der Perspektive der Subjekte, also der als aktiv gedachten, leistungsbereit behaupteten und produktiv gewollten "Alten". Es ist nach dem wissens- und praxisstrukturierenden Potenzial der alterspolitischen Aktivierungsprogrammatik zu fragen, nach den gesellschaftlichen Deutungs- und Verarbeitungsmustern derselben, nach den Formen und Mechanismen ihrer subjektiven Aneignung durch die Adressaten. Polarisiert gefasst: Ist das Bild vom "verdienten Ruhestand" noch gesellschaftlich akzeptiert und handlungsleitend? Oder denken und handeln die Menschen schon im Einklang mit dem Bild vom "Alterskraftunternehmer"? Und welche Relevanz hat die aktivgesellschaftliche Programmatik für die "soziale Realität" des Alters und der Alten?