Inhaltszusammenfassung:
Die Schnelligkeit ist eine wenig erforschte konditionelle Fähigkeit. In der vorliegenden Arbeit wurde der maßgeblich von Bauersfeld & Voss (1992) geprägte Ansatz zu den postulierten Zeitprogrammen zur Schnelligkeit in der Zweikampfsportart Judo sportartspezifisch überprüft. Damit wurde in den Zweikampfsportarten eine Lücke im Bereich der Schnelligkeit und des Schnelligkeitstrainings geschlossen.
Dem Programmbegriff kommt der Status eines Metaphers zu. Allerdings wird für eine Umorientierung von Metaphern zu Mechanismen plädiert.
Aus diesem Grund scheint der Begriff schnelle neuromuskuläre Innervationsmuster zutreffender zu sein, da er sowohl die Zeitdauer einer Bewegung, als wichtigen Aspekt der Schnelligkeit, als auch topologische Aspekte einer Bewegung beinhaltet. Somit kommt der Begriff schnelles neuromuskuläres Innervationsmuster einem Mechanismus näher. Damit soll außerdem dem Dilemma entgegen gewirkt werden, einer Theorie hinterherzulaufen, anstatt eine neue zu entwickeln.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, in einer ausführlichen Literaturanalyse zunächst die azyklische Schnelligkeit aus der physiologischen, über die biomechanische und nicht zuletzt der trainingswissenschaftlichen Perspektive zu betrachten. Dies dient dazu, die Frage zu beantworten, ob schnelle Bewegungen im Judo als schnelle neuromuskuläre Innervationsmuster verstanden werden können. In einer abschließenden empirischen Untersuchung werden die von Bauersfeld & Voss (1992) postulierten Charakteristika der Zeitprogramme anhand von schnellen Zugbewegungen im Judo überprüft.
Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten darauf hin, dass die Schnelligkeit eine spezifische Fähigkeit ist, die sich als eine Fähigkeit zur Koordination unter Zeitdruck äußert und durch schnelle neuromuskuläre Innervationsmuster gesteuert wird.
In diesem Sinne wird unter der Schnelligkeit die Fähigkeit verstanden, ein schnelles neuromuskuläres Innervationsmuster zu realisieren und die Fähigkeit zu haben, mehrere schnelle neuromuskuläre Innervationsmuster im Verbund einer Bewegung zu koordinieren.
Die gefundenen Bewegungszeiten bei der Zugbewegung lassen den Schluss zu, dass Zugbewegungen im Judo gesteuert werden. Feedback Informationen während der Bewegung selbst sind nach dem vorliegenden Stand der Forschung nicht möglich. In diesem Sinne lassen sich Referenzwerte bilden. Ein prognostisch gutes neuromuskuläres Innervationsmuster zeigt sich bei Athleten, die bei der Zugbewegung eine Gesamtdauer der Bewegung von unter 100 ms aufweisen. In der leistungsdiagnostischen Bewertung von Judoka könnte dies einen sinnvollen Ansatz darstellen und ein potentes Mittel sein, um Ressourcen oder Defizite bei einzelnen Athleten festzustellen.
Bei der Auswahl der Testsysteme zum Ausbildungsstand der Schnelligkeit ist es wohl ausreichend, Systeme zu verwenden, welche ausschließlich die Zeit messen. Die EMG-Messungen in der vorliegenden Arbeit ließen zur Beurteilung der Schnelligkeit keinen erkenntnisgenerierenden Schluss zu. Eine schnelle Bewegung scheint vielmehr durch gute Koordinationstaktiken bestimmt zu sein, und dies kann durch Analysen des bioelektrischen Potentials in den einzelnen beteiligten Muskeln allein nicht ausreichend bewertet werden.
Der Einfluss der Maximalkraft und der Schnellkraft mit ihren Unterfraktionen Start- und Explosivkraft bei sehr schnellen Bewegungen muss neu überdacht werden. Die gefundenen Ergebnisse lassen nicht darauf schließen, dass eine Verbesserung dieser Kraftfähigkeiten auch eine Verbesserung der schnellen neuromuskulären Innervationsmuster mit sich bringt. Zwei Gründe könnten hierzu vorliegen. Zum einen scheint das Zeitintervall zu kurz zu sein, um die Kraftfähigkeiten in der Bewegung zu entwickeln, zum anderen ist es möglich, dass die Koordination eine wichtige Rolle spielt, nämlich in dem Sinne, dass der Athlet in der Lage sein muss, seine rohen Kräfte in die Bewegung gewinnbringend einzusetzen.
Die Erkenntnisse um die schnellen neuromuskulären Innervationsmuster werden umso wichtiger als dass die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass ein einmal ausgebildetes und verfestigtes schnelles neuromuskuläres Innervationsmuster unter Normalbedingungen relativ stabil ist und eine gewisse Ermüdungsresistenz aufweist.
Bei den Gruppenvergleichen wurde gezeigt, dass weder erfolgreichere noch leichtere Athleten signifikant schnellere Zugbewegungen ausführen als schlechtere oder schwerere Athleten.
Abstract:
Speed is a little researched conditional skill. In this dissertation the approach to the postulated time-programs to the speed in Judo stamped from Bauersfeld & Voss (1992) was specifically proved. This has closed a gap in the area of speed and training of speed.
The term program has the status of a metaphore. However, there is an asking for a change from metaphore to mechanisms.
For this reason the term fast neuromuscular innervation pattern seems to be more appropriate as it contains both the duration of a movement as an important aspect of speed and topological aspects of a movement.
Therefore the term fast neuromuscular innervation pattern is much closer to a mechanism. This should also prevent the dilemma to run after a theory instead of developing a new one.
The objective of the dissertation was, in the form of an exhaustive literature analysis, to analyse the acyclical speed from a physiological perspective, a biomechanic perspective and from the view of the training science. The aim was to answer the question whether rapid movements in Judo can be interpreted as fast neuromuscular innervation patterns. In an empirical study the characteristics of the time programs postulated by Bauersfeld & Voss (1992) were proved on the basis of fast pulling movements in Judo.
The results of the dissertation indicate that speed is a specific skill, which is expressed as an ability to coordinate under time pressure and is controlled through fast neuromuscular innervation patterns.
Speed is the ability to create a fast neuromuscular innervation pattern and the ability to coordinate many fast neuromuscular innervation patterns in combination with a specific movement.
The observed times of the pulling movements lead to the conclusion that pulling movements in Judo are controlled on the basis of fast neuromuscular innervation patterns. Feedback information during the movement itself is not possible. In this case it is possible to provide reference values. A prognostically good and therefore fast neuromuscular innervation pattern can be found with athletes who reach during the pulling movement a total duration of less than 100 ms. For the diagnostical assessment of judo fighters this could be a useful approach and a potent means to identify resources or deficits with individual athletes.
When selecting the test systems for detecting the speed, it seems sufficient to use systems measuring time only. EMG test systems were not efficient. A rapid movement is determined through good coordination tactics, and this could not be shown with the sole analysis of the bioelectrical potentials in the concerned muscles.
The influence of maximum strength and fast strength with their fractions start- and explosive strength during very rapid movements needs to be rethought. The obtained results do not suggest that an improvement of these strength abilities also triggers an improvement of the fast neuromuscular innervation patterns. This could have two reasons. First, the time interval seems to be too short to develop the strength abilities during the movement, second, it is possible that co-ordination plays an important role, in the sense that the athlete has to be able to effectively deploy his crude strength abilities in the movement.
The findings about the fast neuromuscular innervation pattern become all the more important as the study results of this dissertation show that under normal conditions a static and developed fast neuromuscular innervation pattern is relatively stable and shows a certain resistance against fatigue.
The group comparisons revealed that neither the more successful nor the lighter athletes significantly show faster pulling movements than the less successful or heavier athletes.