Inhaltszusammenfassung:
Werden politische Entscheidungen grundsätzlich individuell eigennützig getroffen oder basieren sie auf sozialen Überlegungen? Diese Frage wurde in einem USA-weiten computerunterstützten Feldversuch untersucht, in dem politischer Altruismus nachgewiesen werden konnte. Der gemessene Altruismus ist nicht auf Spielarten des Eigeninteresses zurückführbar wie etwa in der Spieltheorie oder in der group selection theory angenommen. Es wird daher von authentischem Altruismus gesprochen. Als Ursache dieses Altruismus wird die natürliche Empathie vorgeschlagen, die auf der logischen Unmöglichkeit basiert, den Begriff 'individuelles Eigeninteresse' konsequent auf einen einzelnen Organismus zu beziehen.
Der Befund authentischen, nicht auf Eigennutzen zurückführbaren Altruismus widerspricht der Evolutionstheorie, deren 'natürliche Selektion' auf Eigennutzmaximierung basiert. Es wird gezeigt, dass die Evolutionstheorie auch ohne Selektionsannahme zurechtkommt, wenn sie alleine auf Fortpflanzung mit zufälliger Mutation basiert. Die Theorie der Zufallsevolution (C-Evolution oder chance evolution) ist in der Lage, eine in ihrer Durchschnittstendenz gerichtete Evolution von einfachen zu komplexen Organismen zu erklären. Darüber hinaus vermag sie ein 'relativ' hohes Maß (relativ = ca. 50 Prozent) gegenseitiger Anpassung in der Natur allein durch bedingte Zufallsprozesse zu erklären.
Der Begriff des Zufalls, dem in der C-Evolution eine zentrale Rolle zukommt, wird dabei nicht als Illusion, sondern als realexistierende Größe aufgefasst. Er erweist sich als ein immanenter, nicht-reduzierbarer Rest an Unwissenheit, mit dem umfassende Intelligenzen (sog. Laplace'sche Dämonen) auch dann rechnen müssten, wenn sie sich für 'allwissend' hielten. Die Annahme des Zufalls als reales Unwissen individueller Beobachter (Indeterminismus) kollidiert dabei nicht mit der Annahme, das Weltgeschehen sei vollständig bestimmbar durch das Kollektiv aller Beobachter (Determinismus).
Abstract:
Are people motivated exclusively by individual self-interest when they make political decisions, as economic theory suggests, or do they they hold social motives, as well? This question inspired a USA-wide computer based experiment on political altruism. The observed level of altruism can not easily be reduced to forms of self-interest as assumed by game theory or group selection theory and is therefore referred to as authentic altruism. Natural empathy is suggested as a source of this altruism. It is based on the logical impossibility of applying the term 'individual self-interest' to one single organism.
Due to the fact that natural selection is based on self-interest maximizing behavior, the finding of authentic altruism contradicts classical evolution theory. A formal model is provided demonstrating that directional evolution can occur even in the absence of natural selection. The theory of chance evolution (C-evolution) is solely based on selfreplication with random mutation and it predicts a tendency towards ever increasing average organismal complexity. In addition, it predicts a 'relatively' large degree of mutual adaptation (relatively = approx. 50 percent) based on pure chance.
The notion of chance plays a central role in C-evolution and is interpreted not as an illusion, but as a real existing entity. It proves to be an immanent, irreducible rest of uncertainty that would apply to beings of allencompassing intelligence (so called Laplace's demons) even if they were convinced to be 'omniscient'. The assumption of chance as real uncertainty on the part of individual observers (indeterminism) does not collide with the idea that the world can be observed with infinite precision by the collective of all observers (determinism).