Inhaltszusammenfassung:
Diese Doktorarbeit behandelt schwerpunktmäßig den Entstehungsprozess von Konventionen und diesbezüglich die Suche nach einer Antwort auf eine Frage, die sich bereits Lewis (1969) stellte: Wie kann sprachliche Bedeutung entstehen und zur Konvention werden, wenn davon auszugehen ist, dass es im Vorfeld keine Absprache gab, die diese Konvention festlegte? Denn von der Annahme ausgehend, dass Absprache Sprache verlangt, würde es zu einem Paradoxon führen, Absprachen als Anfangspunkte der Sprachevolution zu verorten. Lewis ebnete den Weg, dieses Paradoxon aufzulösen, indem er mithilfe des spieltheoretischen Modells des Signalspiels aufzeigte, wie konventionelle sprachliche Bedeutung ohne Absprachen entstehen kann.
In dieser Dissertation entwickelte ich Lewis' Modell weiter, um detailliertere Einsichten zu bekommen, welche Faktoren den Entstehungsprozess von Konventionen in vielschichtiger Hinsicht beeinflussen können. Das technische Resultat ist ein erweitertes und verfeinertes spieltheoretisches Modell des Signalspieles. Mein Modell vereinigt Eigenschaften, welche zwei Bedingungen erfüllen, die im Bezug auf den Entstehungsprozess von Sprachkonventionen essentiell sind:
1. Signalspiele sollten auf Populationen angewendet werden, da es der Natur der Sprachkonvention entspricht, in solchen zu entstehen. Daher überführte ich die Standard-2-Spieler-Signalspiele in Netzwerkspiele, um Simulationsläufe auf künstlichen sozialen Netzwerkstrukturen durchzuführen.
2. Konventionen müssen in einem Prozess entstehen, der vorherige Absprachen vollständig ausschließt. Um einen Prozess zu simulieren, verwendete ich in meinen Experimenten wiederholte Signalspiele in Kombination mit Lerndynamiken. Um eine Tendenz möglicher vorheriger Absprachen auszuschließen, startete ich die Simulationen mit Agenten, die anfänglich völlig gleichgültig hinsichtlich ihrer Präferenzen waren und ihre erste Entscheidung zufällig trafen.
Das Ergebnis meiner Experimente und Analysen ist eine Entschlüsselung von Zusammenhängen, die den Entstehungsprozess von Sprachkonventionen maßgeblich beeinflussen. Die Experimente zeigten Folgendes:
1. Die Psychologie der Agenten in Form von Update-Dynamiken, die zur
Entscheidungsfindung beitragen, spielt keine große Rolle im Entstehungsprozess von Sprachkonventionen: Experimente mit Update-Dynamiken aus verschiedenen Feldern, wie etwa Evolutionsdynamiken, Imitationsdynamiken und Lerndynamiken, zeigten keine maßgeblichen Unterschiede in den Ergebnissen hinsichtlich des Entstehungsprozesses.
Allerdings galt diese Beobachtung nur für Experimente auf homogenen Populationsstrukturen.
2. Die Soziologie der Agenten in Form ihrer Populationsstruktur dagegen spielt eine sehr wichtige Rolle im Entstehungsprozess von Sprachkonventionen: Es zeigte sich in Experimenten auf Torus-förmigen Gitternetzwerken und sogenannten Small-World-Netzwerken, dass lokale Interaktionsstrukturen die Entstehung regionaler Sprachkonventionen unterstützen. Des Weiteren nahmen Agenten unterschiedlich Rollen und Aufgaben im Entstehungsprozess von Sprachkonventionen ein, die im hohen Maße abhängig von der individuellen Position im Netzwerk waren.
Das zweite Ergebnis unterstreicht die Wichtigkeit von sozialer Struktur in Bereichen wie Sprachwandel und Sprachevolution. Um besser zu verstehen, wie Sprache entstanden ist, lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, wie Gesellschaften strukturiert sind. Ich hoffe mit dieser Dissertation tiefere Erkenntnisse über die Zusammenhänge a) von Methoden aus Spieltheorie und Netzwerktheorie und b) zwischen verschiedenen Feldern, wie Pragmatik, Soziolinguistik und Sprachevolution aufzuzeigen.
Abstract:
This Ph.D. project focuses on the evolution and emergence of conventions and the search for an answer to the question posed by Lewis (1969): how can linguistic meaning arise and become a convention without prior agreements? By considering that agreements need language, we would come to a paradox: language is needed for language to emerge. Lewis paved the way for refuting this paradox by showing that, with the game-theoretic model of a signaling game, conventional linguistic meaning can arise without such agreements.
The technical outcome of my dissertation is an extended and refined game model of signaling games concerned with the analysis of language conventions. Only this model combines features that fulfill two essential preconditions that were missing in Lewis's original account. These must be kept for analyzing the way linguistic meaning arises and becomes a convention without prior agreements:
1. We must analyze signaling games for a whole population of agents and not only among two players of the game. Such an analysis is essential to cope with the nature of conventions that generally emerge in societies of multiple individuals. In this dissertation, I introduced network games and applied them on artificial and social network structures to meet this precondition.
2. We must model a process of the emergence of meaning without prior agreements. In this dissertation I applied repeated signaling games to model a process rather than an instance. In addition, I applied learning dynamics that permit agents to be initially unbiased in mind and behavior. Such an initial situation is essential to eliminate any possibility that previous influences like prior agreements existed.
The analytical outcome of this dissertation is a line of experimental results that revealed particular dependencies between factors that impact on the way linguistic meaning may arise. In short, these experiments showed two things:
1.The psychology of agents, in terms of update dynamics that guide their decision making process, does not have an essential impact on the final outcome. Whether evolutionary dynamics, imitation dynamics, or learning dynamics are applied, the result is a similar process of how linguistic meaning evolves. This holds exclusively for homogeneous populations.
2. The sociology of agents plays an essential role. The way agents are structured and arranged inside a population has an impact on the way linguistic meaning evolves that cannot be ignored. In particular, I showed that locally organized interaction structures support the emergence of multiple meanings. On top of that, agents in heterogeneous population structures initiate different types of linguistic change based on their position in the social network.
The second result highlights the importance of social structure in language evolution. By understanding how agents connect with each other, we can learn something about how language changes. My hope for this dissertation is that I will motivate other researchers to understand the connections between games, networks, and the fields of pragmatics, sociolinguistics, and language evolution.