Bildende Künstlerinnen im Berliner "Sturm" der 1910er Jahre

DSpace Repositorium (Manakin basiert)


Dateien:

Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-69878
http://hdl.handle.net/10900/47088
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2013
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Kunstgeschichte
Gutachter: Lange, Barbara (Prof.Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2011-11-07
DDC-Klassifikation: 700 - Künste, Bildende Kunst allgemein
Schlagworte: Expressionismus , Holzschnitt , Frauenbild , Frauenforschung , Künstlervereinigung , Jahrhundertwende , Walden, Herwarth , Walden, Nell , Heemskerck
Freie Schlagwörter:
Woman artists , Sturm , Expressionism , Gender , Walden
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
Gedruckte Kopie bestellen: Print-on-Demand
Zur Langanzeige

Inhaltszusammenfassung:

Unter dem Namen „Der Sturm“ gründete der Berliner Verleger Herwarth Walden 1910 eine Wochenschrift für Kultur und die Künste. Diese wurde zwei Jahre später um eine Galerie mit regelmäßigen Ausstellungen in Berlin und an anderen Orten Europas ergänzt. „Der Sturm“ wurde für die Kunst des Expressionismus zum zentralen Ort, an welchem Ideen zur Abstraktion, zur Aufgabe einer neuen modernen Kunst und zur Internationalisierung kultureller Bewegungen diskutiert wurden. Vor allem handelt es sich jedoch um ein Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern, dessen Fäden bei Nell und Herwarth Walden (1876-1941) zwei Jahrzehnte lang zwischen 1910 und 1932 in der Berliner Potsdamer Straße zusammenliefen. Erweitert um eine „Sturm“-Schule (1916) und eine „Sturm“-Bühne (1917) sowie weitere, teilweise nur für kurze Zeit existierende Kulturvermittlungsformate, trat der „Sturm“ mit dem ambitionierten Ziel auf, durch die Kunst die Gesellschaft reformieren zu wollen. Heute berühmte Größen der klassischen Moderne wie Wassilij Kandinsky, Franz Marc, Oskar Kokoschka, August Macke, Marc Chagall oder Paul Klee wurden maßgeblich von Herwarth und Nell Walden protegiert und durch ihre Ausstellungen und Kontakte zum „Sturm“ bekannt. Obwohl in den Ausstellungslisten und in der Zeitschrift auch viele bildende Künstlerinnen mit Holzschnitten und Zeichnungen, aber auch mit großen Gemälden vertreten waren, scheint die Kunstgeschichtsschreibung diese weitestgehend ausgelassen zu haben. Zu ihnen gehören Jacoba van Heemskerck (1876-1923) Nell Walden (1887-1975), Gabriele Münter (1877-1962), Marianne Werefkin (1870-1938) und Maria Uhden (1892-1918). Sie bilden den Untersuchungsschwerpunkt dieser Arbeit. Ausgehend von der These, dass die Nichtbeachtung der Sturm-Künstlerinnen in der weiteren Kunstgeschichte auf geschlechtlich codierte Zuschreibungen zurückzuführen ist, wird mittels einer historiographischen Auswertung des Quellenmaterials die Wechselwirkung zwischen Selbstdarstellungen der Künstlerinnen in Briefen, Tagebüchern und künstlerischer Praxis, und Fremddarstellung durch Dritte in Ausstellungsbesprechungen, Briefen oder Texten in der Zeitschrift "Der Sturm" untersucht. Zentrale Fragen der Untersuchung sind: Welche Rolle spielten die Künstlerinnen beim „Sturm“? Wann wurden welche Werke von ihnen ausgestellt? Welche Rolle spielte dem gegenüber der „Sturm“ bei der Identitätsbildung der Frauen und ihrem Selbstbild als Künstlerinnen? Warum sind die Werke der Künstlerinnen kaum in die Kunstgeschichte eingegangen und was hat diese Tatsache möglicherweise mit dem Frauenbild beim „Sturm“ und seiner Zeit zu tun? Mit Hilfe einer Differenzierung zwischen Selbst- und Fremddarstellungen der Künstlerinnen werden in der Untersuchung zu den bildenden Künstlerinnen beim „Sturm“ jene Bereiche des „doing gender“ sichtbar gemacht, die bestimmte Rollenbilder beim „Sturm“ tradieren. Diese hatten Auswirkung auf das künstlerische Selbstverständnis der Künstlerinnen, ihre Arbeiten, ihre Stellung innerhalb des „Sturm“-Netzwerkes und die gesamte weitere kunsthistorische Rezeption. Die Analyse der schriftlichen Selbst- und Fremddarstellungen findet dabei unter Berücksichtigung des historischen Kontextes statt und beleuchtet das Frauenbild beim „Sturm“ vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer und soziokultureller Zeitfragen. Die Untersuchung der Quellen liefert die Erkenntnis, dass beim „Sturm“ ein historisch und kontextuell bedingter Konsens über das „Wesen der Frau“ herrschte. In ihren Selbstdarstellungen unterliefen die Künstlerinnen diese Vorstellungen zum Teil, richteten sich anderseits jedoch nach ihnen aus und erfüllten sie, um sich innerhalb des „Sturm“ überhaupt eine Position als Künstlerin sichern zu können. Die Künstlerinnen und ihre Werke bedienten beim „Sturm“ in erster Linie die Sparte der „reinen“, „authentischen“ und „primitiven“ Kunst. Diese Zuschreibungen wurden ihnen im weiteren Verlauf der Kunstgeschichte nachteilig ausgelegt und die Rollenzuschreibungen gingen mit der Konstruktion einer weiblichen Kunst einher. Diese wurde im Expressionismus neu festgeschrieben und drängte die Künstlerinnen in der weiteren Kunstgeschichte an den Rand. Die vorliegende Arbeit ist als Grundlagenforschung zum „Sturm“ und zum Frauenbild während des Expressionismus angelegt. Da die Forschungslage zum „Sturm“ übersichtlich ist, bisher weitestgehend ohne Einbeziehung der Künstlerinnen stattfand und es daher kaum möglich war, sich auf bereits geleistete Forschungsarbeit zu beziehen, versteht sich diese Arbeit als eine Ausgangsbasis, die grundlegende Fakten zusammengetragen und erste Fragestellungen bearbeitet hat.

Abstract:

In 1910, Berlin publisher Herwarth Walden (1876-1941) founded “Der Sturm”, a weekly journal dedicated to culture and the arts. Two years later, he also opened a gallery of the same name; regular exhibitions in Berlin and elsewhere in Europe followed. “Der Sturm” soon became a focal point of the Expressionist movement, a forum where ideas were exchanged on topics such as abstraction, the task of modern art and the internationalisation of cultural movements. More than anything else, however, “Der Sturm” was a network of artists – a web whose threads converged at Nell and Herwarth Walden’s Potsdamer Strasse studio and gallery in Berlin for two decades between 1910 and 1932. Expanded to include a “Sturm” school (1916), a “Sturm” stage (1917) and other, sometimes short-lived forms of cultural communication, “Der Sturm” had the ambitious goal of reforming society through art. Outstanding figures of classical Modernism such as Vassily Kandinsky, Franz Marc, Oskar Kokoschka, August Macke, Marc Chagall and Paul Klee received considerable support from Herwarth and Nell Walden and owe some of their fame to their exhibitions and contacts to “Der Sturm”. Although many women who produced woodcuts, drawings and even large paintings are included in the exhibition lists and presented in the journal, art history seems to have largely failed to mention them. They include Jacoba van Heemskerck (1876-1923), Nell Walden (1887-1975), Gabriele Münter (1877-1962), Marianne Werefkin (1870-1938) and Maria Uhden (1892-1918). These artists are the focus of this study. Starting from the premise that the failure of art historians to give adequate consideration to female members of “Der Sturm” can be traced back to gender-coded notions, this historiographical analysis of sources examines the interplay between the women’s self-presentations in letters and diaries as well as in their own art, and descriptions by others in exhibition reviews, letters or texts in the journal “Der Sturm”. The central questions of the study are: What role did female artists play in “Der Sturm”? When were their works exhibited, and which works were shown? What role did “Der Sturm” play in the identity formation of these women and in their self-image as artists? Why are the works of these artists hardly remembered in art history, and what might this have to do with the image of women in “Der Sturm” and in its time? By differentiating between self-presentations and descriptions of the artists by others, this investigation of female artists in “Der Sturm” sheds light on aspects of “doing gender” that perpetuate specific role models within the “Sturm” movement. These models impacted on the women’s artistic self-image, on their work, on their position within the “Sturm” network and on the overall historical reception of their work. The analysis of written representations by the artists themselves and by others takes the historical context into account and examines the image of women in “Der Sturm” against the backdrop of the socio-political and socio-cultural issues of the day. The source material reveals that “Der Sturm” was dominated by a consensus on the “nature of women” that was contingent on historical and contextual factors. When writing about themselves, the female members of the group sometimes ignored these ideas, but nevertheless they positioned themselves accordingly and even confirmed them in order to secure their own position as artists in the network. In “Der Sturm”, female artists and their works tended to be viewed as exponents of “pure”, “authentic” or “primitive” art. These labels were interpreted to their disadvantage in the later course of art history and gave rise to the construct of a typically “female” kind of art. This notion was enshrined in the Expressionist movement, and in the ensuing historiography of art it resulted in a marginalisation of female artists. The present study is intended to be understood as basic research into “Der Sturm” and the image of women within Expressionism. As research on “Der Sturm” is relatively scanty, and as it has so far largely ignored female artists, it was hardly possible to refer to earlier research results. This work should therefore be viewed as a starting point, as an initial gathering of basic facts and investigation of initial questions.

Das Dokument erscheint in: