Inhaltszusammenfassung:
Urbare, die in Südwestdeutschland auch als Lagerbücher bezeichnet werden, sind Verzeichnisse, in denen der gesamte Besitz einer Herrschaft nebst den daraus resultierenden Abgaben verzeichnet ist. Ursprünglich entstanden sie im Rahmen der Grundherrschaft, wurden jedoch im Spätmittelalter im Zuge der Territorialisierung den neuen Anforderungen angepasst. Die Motivation, ein Urbar zu erstellen, entsprang zunächst keineswegs der eigentlich nahe liegenden Einsicht, dass damit der eigene Besitz effizienter zu verwalten oder zu sichern sei, sondern meist aktuellen Anlässen, so auch in unserem Fall. Erhalten haben sich aus den Jahren um und nach 1350 Aufzeichnungen über vier württembergische Ämter Leonberg, Stuttgart, Waiblingen und Asperg, doch stützen gewichtige Indizien die Annahme, dass damals auch weitere Ämter verzeichnet wurden. Es handelt sich bei diesen vier erhaltenen Urbaren um repräsentative, mit Initialen versehene und sorgfältige auf Pergament geschriebene Verzeichnisse in Großfolioformat, die alle den Grafen zustehenden Besitztümer, Rechte, Abgaben und Dienste verzeichneten.
Dem Urbar für das Amt Asperg ist hier das Forschungsinteresse gewidmet. Der Ansatz ist dabei ein umfassender, soll doch exemplarisch aufgezeigt werden, „in welchem Maße der Historiker Erkenntnisse über das Leben der Bauern und über die rechtlichen Gegebenheiten des späten Mittelalters gewinnen kann“. Dabei stehen drei Fragenkomplexe im Mittelpunkt: Zum einen soll es um die Auswertung der im Urbar verzeichneten Güter und deren Abgaben gehen, um darzustellen, mit welchen Belastungen die Bauern zu rechnen hatten. Zum zweiten soll auf die bemerkenswert häufig als Grundstücksbesitzer vorkommenden Frauen eingegangen werden. Als dritter Untersuchungskomplex sollen die im Urbar vorkommenden Namen, ihre Herkunft und die in ihnen zum Ausdruck kommenden Verwandtschaftsverhältnisse erforscht werden.
Fast unvorstellbar erscheint es, dass der ungeheure Daten- und Informationsschatz, den die württembergischen Urbare für die Mitte des 14. Jahrhunderts bereitstellen, bis heute mehr oder weniger unerschlossen geblieben ist. Das Ausloten seines Aussagepotentials ist das wesentliche und exemplarische Anliegen der Arbeit. Ausgehend von den verschiedenen Ebenen eines Urbars wird zunächst die Form der Abgaben untersucht, ihr Fälligkeitsdatum und die Lage der Güter. Auf einer anderen Ebene werden jedoch weitere Informationen vermittelt, die Auskunft über das Verhältnis von Mann und Frau zu geben in der Lage sind. Hier wird sich der verbreiteten rechtsgeschichtlichen Auffassungen der Zeit bedient, wie sie durch Sachsen- und Schwabenspiegel tradiert wurden. Die dritte Ebene ist die der Namen. Hier zeigt sich, dass die „Doppelnamigkeit in der Mitte des 14. Jahrhunderts bereits fortgeschritten war, doch einerseits noch auf den Beginn der Entfaltung Rückschlüsse erlaubte, andererseits aber bereits die weitere Entwicklung erkennbar werden ließ“.