Die Behandlung von Gegensatzstrukturen bei Novalis und Nietzsche

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-39068
http://hdl.handle.net/10900/46382
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2009
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Philosophie
Gutachter: Kümmel, Friedrich (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2009-04-30
DDC-Klassifikation: 100 - Philosophie
Schlagworte: Novalis / Fichte-Studien
Freie Schlagwörter: Novalis , Nietzsche , Frühromantik , Logik , Romantik , Fichte
Romanticism , Logic
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Inhaltszusammenfassung:

Die philosophische Novalis-Forschung ist sich seit der 1954 erschienenen Studie von Theodor Haering durchaus einig, dass man Friedrich von Hardenberg missversteht, wenn man ihn in erster Linie als treuen Schüler Fichtes sieht. Die Gegensatzstrukturen seiner Philosophie geben jedoch nach wie vor Anlass zur Kontroverse. Die Forschungsmeinungen reichen von Novalis als absolutem Idealisten über Novalis als Verfechter eines konsequent transreflexiv zu denkenden Absoluten bis hin zu Novalis als radikalem Vordenker des Dekonstruktivismus. Unterbestimmt bleibt jedoch durchgehend, welche logischen Verhältnisse den Hardenbergschen Gegensätzen zugrunde liegen und in welche Form von doppelter Begriffsverwendung Novalis damit eintritt. In Reaktion hierauf versucht die vorliegende Untersuchung zu zeigen, wie Novalis auf dem Wege einer den Widerspruch bewusst einschließenden Behandlung von Gegensatzstrukturen eine Reihe von Beschreibungsmodi findet, die die starren Entgegensetzungen von Subjekt und Objekt, Idealismus und Realismus, Bewusstsein und Absolutem etc. überwinden, ohne die Unterscheidungen als solche aufgeben oder einem Relativismus opfern zu müssen. Der Verfasser zeigt, wie Novalis jenseits absoluter Differenz die präreflexive Erfahrung des Absoluten im Gefühl als gleichzeitiges Sich-Zeigen und Verbergen des Absoluten entwirft, was einer Vertrautheitserfahrung ebenso entspricht wie einer Fremderfahrung. Erst im Verbund formieren beide Aspekte diejenige Konstellation, die für Novalis einen Weg nach innen lohnend werden lässt. Am Zielpunkt dieses Weges nach innen zeigen sich Eigenes und Anderes als letztlich unvermittelbar voneinander geschieden und dennoch gerade in dieser Trennung aufeinander verwiesen und aneinander gebunden. Für den Status des Subjekts bedeutet dies, dass es zwar weder zu einer egologischen Theorie des Absoluten taugt noch weiterhin die Gewissheit des Wissens verbürgen kann, ebenso wenig aber suspendierbar ist, da nur im Innen einer Erste-Person-Perspektive die ursprüngliche Verflechtung von Selbst und Welt erfahrbar ist. Die Binnenstruktur des Absoluten wird von Novalis per Analogie experimentalphilosophisch aus der ursprünglichen Verschränkung von Selbst und Welt erschlossen. Damit ist eine Konstellation formiert, die in vielerlei Hinsicht den Vergleich zu Friedrich Nietzsche lohnend werden lässt, entwirft Nietzsche doch ebenfalls ein nicht mehr im Rahmen der Subjektphilosophie liegendes Bild des Ganzen (er spricht in diesem Zusammenhang vom „absoluten Flusse“ des Werdens). Nietzsches Begriff des Werdens ist nur vordergründig ein Oppositum von Sein im Sinne von Beharrlichkeit und Stabilität; vielmehr zeigt sich dem genaueren Blick, dass bei Nietzsche das Werden seiner Binnenstruktur nach ebenso gespannt ist zwischen Sein und Werden, wie Hardenbergs Version des Absoluten dies ca. siebzig Jahre zuvor auch schon war. Beide Denker gehen den Weg einer Experimentalphilosophie, die ausgehend von den Bedingungen des Bewusstseins ein Analogieverhältnis zwischen menschlichem Bewusstsein und Ganzem bzw. Absolutem entwirft, das sich dem unbestimmten Zugang des Gefühls öffnet, einer letztbegründenden Erkenntnis jedoch konsequent verweigert.

Abstract:

Friedrich von Hardenberg cannot be relegated to a mere disciple of Fichte. This has been common currency at least since Theodor Haering’s influential study of Hardenberg’s philosophy. No consensus has been reached, however, on how to describe and situate Novalis’ philosophy of oppositions. Interpretations vary from considering Novalis as absolute idealist, as committed to a trans-reflexive absolute, to viewing him as a predecessor to a radical deconstructivism. What remains underdeveloped in the critical literature is exactly what type of logical relationships underlie Hardenberg’s oppositional techniques. Such research might explain his at first sight puzzling practice of concept doubling. This study shows in what sense Novalis develops a philosophy of oppositional structures that deliberately include contradiction. His philosophy thereby overcomes rigid oppositions such as subject/object, idealism/realism, consciousness/absolute, etc., without needing to abandon these distinctions or to submit to a mere relativism. This study argues that Novalis aims beyond any absolute difference and conceives of the pre-reflexive acquaintance with the absolute within feeling as the absolute’s simultaneous showing and concealing, which leads to simultaneous experience of acquaintance as well as otherness. For Novalis, it is precisely this simultaneity that makes such self-exploration valuable: the path towards oneself culminates in the realization that self and other are ultimately separate, and yet, it is precisely because of their separation that they are dependent and linked. This entails that the subject can no longer serve as foundation for an ego-logical theory of the absolute or as guarantor of epistemic certainty. But neither is it simply to be abandoned, since this original entanglement of self and world can only be experienced from a first-person perspective. In analogy to this original intertwining of self and world an experimental philosophy can infer the internal structuring of the absolute itself. This constitutes a constellation that makes a comparison with the philosophy of Friedrich Nietzsche rewarding since he, too, operates with an idea of the whole that falls no longer within the bounds of a philosophy of the subject (he speaks literally of an ‘absolute flux’ of becoming). Nietzsche’s concept of becoming is only superficially the opposite of being in the sense of permanence and stability; under closer scrutiny it becomes clear that in its logical structure Nietzsche’s concept of becoming oscillates between being and becoming similar to Hardenberg’s version of the absolute seventy years earlier. Both thinkers develop an experimental philosophy that departs from the conditions of consciousness and establish an analogy between human consciousness and the whole or the absolute respectively. The latter are non-conceptually accessible through feeling but elude any ultimate propositional knowledge.

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