Der Westbau der ehemaligen Abtei Moissac als Beispiel eines Vorhallenturms : ein mittelalterliches Bauwerk im Spannungsfeld funktionaler Anforderungen

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-29954
http://hdl.handle.net/10900/46285
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2007
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Kulturwissenschaften / Kunstgeschichte)
Gutachter: Klein, P. K.
Tag der mündl. Prüfung: 2007-07-17
DDC-Klassifikation: 720 - Architektur
Schlagworte: Moissac / Kloster , Architektur , Kirchenbau , Mittelalter
Freie Schlagwörter:
Moissac Abbey , porch , tower , medieval architecture , church
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Inhaltszusammenfassung:

1.Bedeutung u. Vorgehen Im Gegensatz zu den berühmten romanischen Skulpturen an Portal und Kreuzgang wurde die Architektur des Westurms der Abtei Moissac in der Forschung seither nur an-satzweise bearbeitet. Die vorliegende Untersuchung dient der Aufarbeitung dieser Lücke. Um die Eigenart des im Westen der Kirche angefügten turmartigen Bauwerks in Moissac herauszuarbeiten, werden im ersten Teil der Studie der Aufbau und die Funktion von 14 süd- u. westfranzösischen Kirchtürmen untersucht. Die meisten dieser Türme lassen einen drei- bis vierstufigen Aufbau erkennen. Das unterste Stockwerk dient hierbei als Eingang zur Klosteranlage und / oder als Vorhalle zur Kirche, das darüberliegende Ge-schoss läßt sakrale Funktionen vermuten. Die dritten und vierten Geschosse sind häufig für die Verteidigung eingerichtet oder als Glockenträger vorgesehen. 2. Aufbau u. Planung des Turmes in Moissac Die Bauuntersuchung in Moissac zeigt einen unregelmäßig aufgebauten, dreistufigen Turm mit Vorhalle (Narthex), Hochsaal und (späterem) Glockengeschoss. Begehung und Nachmessung anhand der Pläne von 1895 machen deutlich, dass das erste und das zweite Geschoss nicht deckungsgleich aufeinander sitzen und dass die Achsen des oberen Stockwerks infolge dazwischen eingefügter Kasematten nach Süden u. Westen verschoben sind. Dies wird u.a. an der außermittigen Anordnung der Stützen an der Westfassade offensichtlich. Die Anlage der beiden unteren Stockwerke zeigt, dass hier das Proportionierungs-verfahren der Quadratur angewandt wurde, wobei als Maßeinheit ein Fuß von 32 cm Länge diente und die Eckpunkte der Quadrate durch konzentrische Kreise festgelegt wurden. 3. Gewölbekonstruktion Als bauliche Besonderheit sind die frühen, spitzbogigen Gewölbekonstruktionen in Nar-thex u. Hochsaal anzusehen. Im Narthex wird das Kreuzgewölbe durch vier massige Bandrippenstränge gebildet, die sich ohne Schlußsstein durchdringen. Eine durchlau-fende Trennfuge beweist die nachträgliche Aufhöhung der Rippen und läßt in Zu-sammenhang mit einem Scheitelknick erkennen, dass es hier nach Entfernung der Lehrbögen zu einer Absenkung kam. Das Gewölbe des Obergeschosses besteht aus zwölf, radial in einem offenen Scheitel-ring zusammenlaufenden Rippensträngen, deren Zwischenräume durch tütenförmige Gewölbekappen ausgefüllt werden. 4. Formale Gestaltung Die infolge der Achsenverschiebungen entstandenen Unregelmäßigkeiten im Turmauf-bau werden durch ausgleichende Wandelemente verdeckt, so dass die asymmetrischen Abweichungen erst bei genauer Nachmessung zu erkennen sind. Das von Statuensäulen flankierte Eingangsportal erinnert an antike Triumphbögen und die vorgelagerten Halbsäulen entsprechen in ihrer Länge den Bronzesäulen des salo-monischen Tempels. 5. Funktion Während das Untergeschoss des Turmes wie bei den eingangs untersuchten Türmen der Erschließung von Kirche und Klosterbereich diente, spielten bei den darüber-liegenden Bauteilen die Verteidigungsfunktionen eine bestimmende architektonische Rolle. Sowohl die heute nur noch teilweise zugänglichen Zinnenkränze als auch die Anlage der Kasematten im Zwischenstock beweisen die damaligen militärischen Funktionen des Turmes. Darauf lassen auch die erhaltenen Berichte über die Auseinan-dersetzungen zwischen den weltlichen u. geistlichen Autoritäten in Moissac schließen. Dem Hochsaal kamen dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit kultische Funktionen innerhalb des Klosterbereichs zu. Hierauf deuten sowohl die auf Klosterangehörige beschränkte Zugänglichkeit als auch die harmonischen Abmessungen und die durch-brochene, lichtdurchflutete Gestalt dieses Bauteils. Aus der engeren Klostergeschichte und den Begräbnissen im Eingangsbereich kann geschlossen werden, dass der Raum wie in vergleichbaren burgundischen Bauten als Kapelle für cluniazensische Toten-messen genutzt wurde. Dabei könnte die Form des säulengetragenen, nach oben offe-nen Gewölbes wie in der von Moissac abhängigen Kirche St. Sépulcre/Aveyron auf eine symbolische Nachbildung des Heiligen Grabes deuten. 6. Bauvorgang u. Datierung Für die Dateriung werden neben der architektonischen und skulpturalen Gestaltung auch archäologische u. schriftliche Quellen herangezogen. Die durchgeführten archäologischen Grabungen, lassen erkennen, dass der Turm einst im Westen einer älteren, vorromanischen Kirchenanlage errichtet wurde. Aus den schriftlichen Quellen geht die wiederholte militärische Bedrohung des Klosters hervor, woraus sich die Verteidigungsaufgaben des Turmes begründen. Anhand von skulpturalen Resten im Narthex (Sockelreliefs) und der engeren Klostergeschichte ist bereits mit einem Baubeginn des Turmes im späten 11.Jahrhundert zu rechnen. Andererseits weist die Anbindung des Turmes an die 1180 fertiggestellte romanische Kuppelkirche und die dem Portal vorgelagerte Ehrensäule mit der Statue des 1135 ver-storbenen Abtes Rogerius auf eine Fertigstellung des Turmes gegen Mitte des 12. Jahrhunderts. Die berühmten Tympanonskulpturen lassen sich im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Bauwerken in die Mitte das 2.Jahrzehnts dieses Jahrhunderts ein-ordnen.

Abstract:

1. Importance and methods Romanesque sculpture of Moissac porch und cloister were already subjects of many scientific studies, but these hardly included the architecture of the tower. To classify the construction of this building, the author studied 14 towers of abbeys and churches in western and southern France. Most of them consisted of 3 or 4 floors. Generally the ground floor of the tower contained the entrance-hall. In the following floor there were sacral rooms and the upper floors were reserved for defence and the installation of bells. 2. Plans and construction The exploration of the ground plan of Moissac tower shows an irregular disposition of the two lower floors and reveals that both are not congruent. This gets obvious by the asymmetric installation of the pillars at the western front. The unusual design is caused by several casemates arranged between ground and first floor. The planning of the floors was done by means of quadrature. The corners of the squares were defined by concentric circles, the measures used were 32 cm for one foot. 3. Construction of vaults The construction of the vaults in entrance and upper hall was quite outstanding for medieval times. The crossvaulting of the narthex consists of four rectangular pointed ribs, connected without keystone. A borderline within the ribs reveals that they have been bricked up after taking off the patterns. The vault of the uper hall consists of twelve ribs meeting in an open stone-ring. 4. Design The asymmetrical construction of the tower is concealed by compensating architectural elements. The porch of the tower is framed by two stone columns and reminds of roman triumphal arches. The columns are of the same length as those of the famous temple of king Solomo in Jerusalem. 5. Function Apart from the famous decorative sculpture, defensive functions play an important part in the design of the tower. This is shown as well by the casemates as by the pinacles of the porch. The upper hall may probably have been used as a chapel for burial ceremonies. The third floor served for a bell-tower, which was probably burnt down in the Middle Ages. 6. Development and History The dates of construction refer to archaeological as well as to written and stylistic sources. The excavations of the last century show, that the tower has been erected at the west side of a preromanesque building. The history of the abbey tells of many conflicts between clerical and political authorities, which may have been the reason for constructing a defensive building at this place. The remains of sculptured socles inside the entrance-hall suggest to refer the beginning of the tower to the end of the 11th century. The connection of the tower with the adjoining nave of the church from 1180 and the erection of the column of abbot Roger, who died in 1135, may have taken place towards the middle of the 12th century. The famous sculptures of the tympanum may date back to the middle of the second decade of this century.

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