Inhaltszusammenfassung:
In der Welt bayesscher Entscheidungsprozesse muss unser Gehirn aus einer Fülle sensorischer Eingänge Informationen darüber gewinnen, wie zuverlässig die Annahmen sind, auf deren Basis wir unsere Entscheidungen und unser Handeln gründen. Perzeptuelle Entscheidungssicherheit bezeichnet unsere Einschätzung der Richtigkeit unserer Wahrnehmungsleistung. Bei Rhesusaffen konnten neuronale Korrelate für perzeptuelle Entscheidungssicherheit im lateralen intraparietalen Kortex dargestellt werden. Kürzlich wurde gezeigt, dass selektive Aufmerksamkeit die Entscheidungssicherheit humaner Probanden stärker erhöht als deren eigentliche Entscheidungsleistung. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, elektrophysiologische Korrelate für perzeptuelle Entscheidungssicherheit zu beschreiben, die den eigenständigen und unabhängigen Charakter dieser Qualität prüfen und ihre Rolle im Entscheidungsprozess näher beleuchten. Hierzu wurden zehn Probanden einer visuellen Bewegungsdiskriminationsaufgabe unter Bedingungen valider und invalider Aufmerksamkeitsausrichtung unterzogen und das EEG parallel aufgezeichnet. Durch korrelative Analysen wurden Entsprechungen der psychophysisch gemessenen Entscheidungssicherheit im EEG dargestellt. Für beide Aufmerksamkeitsbedingungen zeigten sich frühe visuelle Antworten, die sowohl mit der Entscheidungssicherheit als auch mit dem Diskriminationserfolg und der Bewegungskohärenz korrelierten. Symmetrische Verteilung dieser Potentiale über dem parietookzipitalen Kortex und ihr zeitliches Auftreten sprachen für einen Generator im bewegungssensitiven Kortex, welcher die sensorischen Eigenschaften des Reizes und damit sensorische Evidenz repräsentierte. Für die invalide Aufmerksamkeitsbedingung zeigten sich ähnliche Potentiale zu einem Zeitpunkt, zu welchem die sensorischen Eigenschaften aus dem Arbeitsgedächtnis heraus reproduziert werden mussten. Ein von den visuellen Parametern und dem Diskriminationserfolg unabhängiges Korrelat für Entscheidungssicherheit fand sich nur unter Bedingungen valider Aufmerksamkeitsausrichtung. Diese Komponente begann circa 300ms vor der mittleren motorischen Reaktionszeit und zeigte einen parietalen Schwerpunkt. Der Nachweis expliziter und eigenständiger Korrelate untermauert das Konzept, dass Entscheidungssicherheit eine spezifische Entität mit biologischer Wertigkeit darstellt. Perzeptuelle Entscheidungssicherheit erscheint einerseits als notwendige Konsequenz spezifischer sensorischer Repräsentationen, andererseits als reizunabhängige Größe, die im sensomotorischen Kortex zur Generierung der motorischen Antwort beiträgt.