Inhaltszusammenfassung:
Die Maus-Mutante Lurcher ist ein Tiermodell für die spinocerebelläre Ataxie und durch einen primären Untergang der Purkinjezellen charakterisiert. Im Gegensatz zur massiven sekundären Degeneration von Körnerzellen und Neuronen der inferioren Olive fällt der Verlust von Neuronen der tiefen Kleinhirnkerne verhältnismäßig gering aus. Diesen Kerngebieten wird eine gewisse kompensatorische Fähigkeit zugeschrieben. Während des Purkinezelluntergangs kann eine verstärkte inhibitorische synaptische Erregungsübertragung nachgewiesen werden. Immunhistochemisch findet sich in vier Wochen alten Lc eine Zunahme kleiner GABAerger Neurone und eine Größenzunahme der Endknöpfchen bei relativ schwach ausgeprägtem Verlust GABAerger Synapsen. Um die stattfindenden Vorgänge genauer zu beleuchten wurde in dieser Arbeit die Genexpression potentieller Modulatoren der inhibitorischen synaptischen Erregungsüberleitung untersucht.
Mittels quantitativer real-time PCR konnte eine Herunterregulation der Genexpression des GABARAP und der gamma2-Untereinheit des GABA-A-Rezeptors bei 14 Tage alten Mäusen nachgewiesen werden.
Die Herunterregulation beider Proteine kann zur Zunahme von ungeclusterten Rezeptoren mit höherer GABA-Affinität und schnellerer Wiederöffnungszeit beitragen. Dies könnte eine bessere Verwertung herabgesetzter GABA-Konzentrationen ermöglichen. Durch eine verringerte Anzahl von Bindungsstellen für gamma2 und eine relative Zunahme von Rezeptoren, welche nicht der konstitutiven (gamma2-abhängigen) Endozytose unterliegen, könnte die Endozytoserate sinken und die Rezeptorzahl an der postsynaptischen Membran konsekutiv steigen, was wiederum eine verstärkte Inhibition bedingen kann. Die Herunterregulation der gamma2-Untereinheit könnte weiterhin zu verminderter Regulation durch die Proteinkinase C führen und auch hierdurch eine erhöhte Rezeptorzahl begünstigen.
Die Verringerung der Endozytoserate und/oder die Reduktion der Anzahl geclusterter Rezeptoren können zwei Wege zur kurzfristigen Verstärkung der GABAergen Erregungsüberleitung darstellen und die Reaktion auf den Verlust GABAerger Afferenzen sowie die beginnende Kompensation desselben repräsentieren. Die beobachtete Herunterregulation ist transient.
Die Herunterregulation der beiden Proteine zur Verstärkung der inhibitorischen Überleitung wurde in der Literatur bisher nicht beschrieben. In die GABAerge Inhibition sind jedoch einige weitere Proteine involviert. Die Untersuchung derselben könnte weitere Einblicke in die Vorgänge ermöglichen und die Rolle von gamma2 und GABARAP weiter präzisieren. Die Aufklärung stattfindender Kompensationsmechanismen und -wege führt zur Vertiefung des Verständnisses für neurodegenerative Erkrankungen und kann neue Ansatzpunkte zur Therapie enthüllen.