Die psychiatrische Begutachtung an der Universitäts-Nervenklinik Tübingen im Jahre 1941 unter besonderer Berücksichtigung der Sterilisationsgutachten

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-66093
http://hdl.handle.net/10900/46041
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2012
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Foerster, Klaus (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2011-11-09
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Psychiatrisches Gutachten , Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie , Tübingen , Sterilisation , Nationalsozialismus
Freie Schlagwörter: Psychiatrische Begutachtung , Universitäts-Nervenklinik Tübingen , Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
Psychiatric assessment , University Psychiatric Clinic of Tübingen , Law for the Prevention of Hereditarily Diseased Offspring , Sterilization
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Das am 1. Januar 1934 in Kraft getretene Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (GzVeN) führte im Zeitraum bis 1945 zur Zwangssterilisation von schätzungsweise 350.000 bis 400.000 Menschen. Um genauere Aussagen über den Umfang der Anwendung des GzVeN machen zu können, befasst sich diese Dissertation als Teil eines größeren Projektes mit der Aufarbeitung und Dokumentation der Begutachtungspraxis an der Universitäts-Nervenklinik Tübingen im Jahre 1941. Anhand der im Universitätsarchiv Tübingen lagernden Krankenakten des Jahres 1941 wurden zunächst diejenigen identifiziert, die ein Sterilisationsgutachten enthielten. Anschließend wurden diese Gutachten einer einfachen statistischen Auswertung unterzogen und mit den zu anderen Fragestellungen erstatteten Gutachten verglichen. Die Untersuchung zeigte, dass sich der überwiegende Teil der begutachteten Patienten entsprechend den Forderungen des Gesetzes im fortpflanzungsfähigen Alter befand und bestätigte das frühzeitige Eingreifen der zuständigen Behörden zur Vermeidung unerwünschten Nachwuchses. Die Betrachtung der sozialen Schichtzugehörigkeit der begutachteten Patienten legte eine gesetzeswidrige, sozial motivierte Selektion der potenziellen Kandidaten aus den sozialen Unterschichten nahe, konnte jedoch im Einzelfall nicht bestätigt werden. Ferner konnte nachgewiesen werden, dass wohl aufgrund der Vertreibung von Juden aus Tübingen und dem Verbot der Sterilisation von Juden in Erwartung des bevorstehenden Holocausts im Jahre 1941 lediglich Christen zur Sterilisationsfrage begutachtet wurden. Der Vergleich der Daten des Jahres 1941 mit den Ergebnissen der anderen Dissertationen im Rahmen dieses Projektes bestätigte den geschlechtsspezifischen Rassismus der Nationalsozialisten gegenüber Frauen, die prozentual häufiger zur Sterilisationsfrage und im Schnellverfahren mittels Formblattgutachten begutachtet wurden als Männer und deren Sterilisation häufiger befürwortet wurde. Für das Jahr 1941 ergab sich jedoch eine geringere Sterilisationsempfehlungsrate als im gesamten Zeitraum von 1934 bis 1941. Ferner konnten angeborener Schwachsinn, erbliche Fallsucht und Schizophrenie als häufigste Diagnosen bestätigt und der Rückgang der Gesamtzahl an erstatteten Sterilisationsgutachten nach dem Beginn der Euthanasieaktionen gegen unheilbar Kranke, dem Erlass der Durchführungsverordnung zur Beschränkung der Sterilisationen auf dringende Fälle und dem Ausbruch des Krieges verifiziert werden.

Abstract:

The Law for the Prevention of Hereditarily Diseased Offspring (GzVeN), which became effective on January 1st, 1934, led to the compulsory sterilization of an estimated 350,000 to 400,000 people. This dissertation is part of a larger project and is concerned with processing and documenting the assessment practice at the University Psychiatric Clinic of Tübingen in the year 1941 in order to obtain more detailed information on the extent of the implementation of the Law for the Prevention of Hereditarily Diseased Offspring. First, the medical records containing sterilization reports were identified in the University archive. These reports were subsequently subjected to a simple statistical evaluation and then compared to assessments on other questions. The present study indicated that the majority of surveyed patients was in accordance with the requirements of the law considering reproductive age and confirmed the authorities’ early intervention in order to prevent unwanted offspring. The analysis of the patients’ social classes suggested an illegal, socially motivated selection of potential candidates from the lower social classes which, however, could not be confirmed in individual cases. Furthermore, it was shown that in 1941 exclusively Christians were examined, possibly due to the banishment of Jews from Tübingen as well as the prohibition of their sterilization in anticipation of the imminent Holocaust. The comparison of these results with the findings in the other dissertations in this project confirmed the Nazis’ specific racism against women: compared to men, women were as a percentage more frequently assessed on the sterilization demand, their examiners used the faster method of forms more often and their sterilization was more regularly endorsed. However, a decline in the number of sterilizations recommended in 1941 was revealed compared to the entire period from 1934 to 1941. Furthermore, congenital feeblemindedness, hereditary epilepsy and schizophrenia were confirmed as the most frequent diagnoses and it was verified that a decrease in the total number of completed medical sterilization reports was due to the beginning of the euthanasia campaigns against the terminally ill, the issue of the regulation on the restriction of sterilizations to urgent cases and the outbreak of the war.

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