Robert Binswangers pathographische Studie über den Schweizer Maler Karl Stauffer-Bern

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-62857
http://hdl.handle.net/10900/45983
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2012
Sprache: Deutsch
Fakultät: 4 Medizinische Fakultät
Fachbereich: Medizin
Gutachter: Hirschmüller, Albrecht (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2007-11-06
DDC-Klassifikation: 610 - Medizin, Gesundheit
Schlagworte: Binswanger, Robert (Psychiater) , Stauffer-Bern, Karl , Pathographie , Welti-Escher, Lydia , Welti, Friedrich Emil (Politiker
Freie Schlagwörter: Klinger, Max (Künstler)
Pathography
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Inhaltszusammenfassung:

Das Archiv der Universität Tübingen erhielt 1986 den umfangreichen Archivbestand der Binswangerschen Heilanstalt Bellevue, einer privaten psychiatrischen Klinik aus Kreuzlingen. Diese Klinik war bis 1980 über vier Generationen von der Familie Binswanger geführt worden. Der Gesamtbestand des Archivs besteht aus einer umfangreichen Dokumentation von Kranken- und Verwaltungsakten, einem Nachlass Ludwig Binswanger d. Ä. und einem Familienarchiv der Familie Binswanger. Dieser Archivbestand wurde im Rahmen eines umfassenden Forschungsprojekts vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin der Universität Tübingen erschlossen und ausgewertet. Hierzu entstanden zahlreiche Dissertationen. Robert Binswanger (1850-1910) war von 1880 bis zu seinem Tod im Jahr 1910 Leiter der Anstalt. Während seiner klinischen Tätigkeit veröffentlichte er zwei bedeutende Arbeiten. Die eine Publikation behandelt Binswangers Beitrag zur schweizer Irrengesetzgebung. Dieses Thema wurde in der Dissertation von Julia Würthner dargestellt. Die andere Arbeit Robert Binswangers war eine pathographische Studie über den schweizer Künstler Karl Stauffer-Bern, welche er 1894 in der „Deutschen Revue“, einem von einem breiten gebildeten Publikum gelesenen Blatt, publizierte. Die hier vorliegende Dissertation ordnet Binswangers Studie in ihren zeitlichen Kontext ein. Sie widmet sich der Entstehung, dem Inhalt und der Rezeptionsgeschichte dieser Studie Binswangers und beinhaltet die Aufarbeitung und Auswertung der Korrespondenz, die sich im Familienarchiv der Familie Binswanger dazu fand. Hierzu wurde das gesamte bislang unveröffentlichte Material zunächst transkribiert, um es im Anschluss näher zu analysieren. In dem Archiv fanden sich 44 Briefe, Post- und Visitenkarten an Robert Binswanger und 15 von Binswanger selbst verfasste Schriftstücke. Des Weiteren wurden von Binswanger mehr als 20 dazu gehörige Zeitungsartikel aus zehn verschiedenen deutschen und schweizer Tageszeitungen archiviert. Binswanger hatte Sonderdrucke der Studie anfertigen lassen, die er an ausgewählte Personen verschickte, einen Kreis von Medizinern, Juristen, Künstlern und Freunden, von denen Binswanger überwiegend eine anerkennende, positive Würdigung seiner Arbeit erhielt. Da sich auch die schweizerische und deutsche Presse für die Arbeit interessierte, findet sich auch eine umfangreiche Korrespondenz mit Redaktionen verschiedener Zeitungsblätter, wie zum Beispiel der Thurgauer Zeitung, der Münchner Allgemeinen Zeitung oder dem Berliner Tagblatt. Eine besondere Rolle spielte in der öffentlichen Auseinandersetzung, daß der Maler Max Klinger, der sich von Binswanger beleidigt fühlte, sich zur Wehr setzte und in einer Berliner Zeitungsredaktion handgreiflich wurde. Anhand der in der vorliegenden Arbeit analysierten Korrespondenz erfährt man erstmalig, wie sehr Binswanger über das Ausmaß dieser „Klinger-Affäre“ betrübt war, da so die eigentlichen Absichten, die ihn zur Veröffentlichung der Studie gebracht hatten, aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit gerieten. Es war nämlich Binswangers besonderes Anliegen, den Künstler Stauffer-Bern, der von der Öffentlichkeit in seinen Augen als kriminell diffamiert wurde, als psychisch Kranken darzustellen und damit zu rehabilitieren. Es mag eine Rolle gespielt haben, dass Robert Binswanger durch die Veröffentlichung der Studie in der Deutschen Revue seine eigene Person als klinisch tätiger Psychiater und die in seiner Klinik vorhandene Fachkompetenz einem ausgewählten Publikum innerhalb des Wirtschafts- und Bildungsbürgertums näher bekannt machen und für das Ansehen der Psychiatrie in der Öffentlichkeit eine Lanze brechen wollte. Binswanger ist damit zu einem Wegbereiter der Pathographie als Genre geworden.

Abstract:

In 1986 the archive of the University of Tübingen received a comprehensive archive of Binswanger’s mental hospital Bellevue, a private psychiatric clinic in Kreuzlingen. This clinic was led by four generations of the Binswanger family until 1980. The total inventory of the archive consists of a comprehensive documentation of medical and administrative records, in addition to the estate of Ludwig Binswanger the Elder, and a family archive of the Binswanger family. This archive was opened up in an extensive research project by the Institute for Ethics and History of Medicine at the University of Tübingen and was analyzed. Until today numerous dissertations were published on this topic. From 1880 until his death in 1910 Robert Binswanger was head of the institution. During his clinical work he published two important papers. One publication deals with Binswanger’s contribution to Swiss asylum law. This topic has been presented in the dissertation of Julia Würthner. The other work was a pathographical study about the Swiss artist Karl Stauffer-Bern. It was published in 1894 in the “Deutsche Revue”, a journal readby an educated audience. The present thesis assigns Binswanger’s study in it’s temporal context. It is dedicated to the development and reception history of Binswanger’s study and includes the review and evaluation of the correspondence which was found in the private archive of the Binswanger family. For this, the entire previously unreleased material was first transcribed and there after it was analysed in detail. In the archive there were 44 letters, post cards and business cards adressed to Robert Binswanger and 15 documents were written of Binswanger himself. In addition to that there were archived more than 20 related newspaper articles from ten different German and Swiss newspapers. Binswanger had made reprints of the study, which he sent to selected individuals, a group of doctors, lawyers, artists and friends from whom Binswanger got predominantly an positive appreciation of his work. Because of the interest of the Swiss and German press, there is a voluminous correspondence with various editors of newspapers, such as “Thurgauer Zeitung”, “Münchner Allgemeine Zeitung” and “Berliner Tagblatt”. A special role in the public debate is played by the artist Max Klinger, who felt insulted by Binswanger and put up a fight in a Berlin newspaper office. Based on the the analysed correspondence in the present study we learn for the first time how sorrowful Binswanger was by the extent of this “Klinger-affair”, because Binswagers actual intentions that had brought him to publish the study faded from the spotlight. It was Binswangers particular concern to present the artist Karl Stauffer-Bern as a mentally ill person, but not as a criminal, like the public did. Maybe Robert Binswanger wanted to become better acquainted for a selected audience in the business and professional elites as a clinical specialist while publishing the study in the “Deutsche Revue”. Maybe he wanted to enhance the reputation of Psychiatry in the public. Binswanger is to be taken a pioneer of the pathographically genre.

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