Inhaltszusammenfassung:
Hintergrund und Ziel: Die HBV-Infektion zählt mit 400 Millionen chronisch infizierten Menschen zu den häufigsten Infektionskrankheiten weltweit. Der therapeutische Einsatz der Immunmodulatoren Interferon-alpha (IFN-alpha) und pegyliertes Interferon-alpha (PEG-IFN-alpha) sowie der antiviralen Medikamente, den Nukleos/tidanaloga ist durch ein breites Nebenwirkungsspektrum, bzw. die Selektion von Resistenzmutationen limitiert. Da die Selektion von Resistenzmutationen zur Progression der Lebererkrankung führen kann, hat die Untersuchung und Charakterisierung der Selektion von Resistenzmutationen für das antivirale Therapiemanagement der chronischen HBV-Infektion weitreichende klinische Konsequenzen. Dementsprechend sollte im Rahmen dieser Arbeit das Vorkommen und die Selektion von Resistenzmutationen gegenüber Nukleos/tidanaloga, insbesondere dem Nukleotidanalogon Adefovir dipivoxil (Hepsera®) (ADV) untersucht werden. Unter ADV-Monotherapie ist die Selektion von bislang zwei publizierten Mutationen (rtN236T und rtA181V) bekannt.
Patienten und Methodik: Für die Untersuchung eines ADV-induzierten Resistenzprofils wurde im Rahmen dieser Arbeit HBV-DNA aus Seren von 276 Patienten eines ausgewählten Patientenkollektivs isoliert und molekulargenetisch analysiert. Die Mutationsanalyse erfolgte durch Sequenzierung der mittels PCR amplifizierten reverse Transkriptasedomänen, gefolgt von einer Genotypisierung. Die identifizierten potentiellen Mutationen wurden über gerichtete Mutagenese in replikationskompetente HBV-Plasmide kloniert und diese in funktionellen Zellkulturexperimenten auf ihre Suszeptibilität gegenüber ADV untersucht. Die statistische Analyse wurde mit dem Statistikprogramm „SPSS“ durchgeführt.
Ergebnisse: In den Analysen fanden sich 67 % häufiger HBeAg-positive als HBeAg-negative Infektionen. Weiter konnte gezeigt werden, dass der HBV-Genotyp keinen Einfluss auf die Resistenzentwicklung gegenüber ADV zeigt, da keine Korrelation zwischen einzelnen Mutationen und einem spezifischen HBV-Genotyp festzustellen war. Die genotypische Mutationsanalyse ergab, wie bei der hohen Mutationsrate des HBV zu erwarten, zufällig verteilte Mutationen. Einige Mutationen traten gehäuft auf und waren nicht mit einer ADV-Resistenz assoziiert (rtL122F (p=0,684), rtN124H (p=0,102), rtP130Q (p=0,103) und rtD131N (p=0,064)). Sie stellen somit, wie auch in der Literatur beschrieben, Polymorphismen dar. Die Korrelation einzelner Mutationen mit einer Therapieresistenz (definiert als 1 log Anstieg der HBV DNA) ergab zusätzlich zu den bereits publizierten Mutationen rtN236T und rtA181V für Mutationen an den Positionen rtA38E/T (p=0,008), rtT128I/N (p=0,035) und rtL231V (p=0,015) eine signifikante Korrelation mit einer Therapieresistenz. Zudem zeigte die Mutation rtN248H eine signifikante Korrelation mit einem erhöhten Transaminasewert ALT (r=0,65; p<0,001). Die isolierte Mutation rtE263D wurde mit 116/276 (42 %) sehr häufig identifiziert, war aber nicht mit einer ADV-Resistenz korreliert (p=0,68). Ihre häufige Kombination mit der Mutation rtN248H (71 %) lässt einen Einfluss als kompensatorische Mutation vermuten. Die aktuell diskutierten ADV-Resistenzmutationen, wie rtV84M, rtS85A, rtQ215S, rt233V und rtP237H konnten in dieser Arbeit nicht als Resistenzmutationen bestätigt werden.
In den funktionellen Zellkulturexperimenten zeigte die Mutation rtN236T (EC50= 20µM) mit einer Erhöhung der EC50 um mehr als 6,7fache im Vergleich zum Wildtyp (EC50= 3µM) keine Suszeptibilität gegenüber ADV. Die Mutation rtN248H zeigte eine moderate 4fache Erhöhung der EC50 (EC50= 12µM) unter ADV-Behandlung im Vergleich zum Wildtypgenom.
Schlussfolgerung: Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass neben den bereits beschriebenen Resistenzmutationen rtA181V und rtN236T weitere Mutationen im HBV-Poymerasegen selektiert werden, die für eine verminderte Sensitivität gegenüber der ADV-Therapie verantwortlich sein können. In vitro Studien belegen, dass bei ADV-Therapieversagen eine Therapie mit anderen Nukleos/tidanaloga Entecavir, Lamivudin und Tenofovir wirksam sein kann. Weitere klinische und molekulargenetische Daten zu Resistenzmechanismen sind dazu aber notwendig.
Abstract:
Backround/Aim: With up to 400 million people chronically infected with hepatitis B virus worldwide, chronic hepatitis B virus infection is one of the most common cause of chronic liver disease. To date, interferon alpha and nucleoside/nucleotide analogues are the only treatment options for chronic hepatitis B. However, antiviral therapy with nucleoside/nucleotide analogues is limited by the emergence of drug-resistant mutants. Drug resistance can lead to viral rebound, hepatic decompensation and hepatocellular carcinoma. The aim of this study was to analyse in genotypic and phenotypic studies the emergence of HBV drug-resistant mutants under antiviral therapy with adefovir dipivoxil (ADV). To date, there are two ADV-resistant mutants known - rtN236T and rtA181V. The influence of other mutants on the susceptibility to ADV is still unknown.
Patients/Methods: 276 patients with chronic HBV-infection treated with ADV were included in this study. After extraction of viral DNA from patient sera and amplification by PCR mutational analysis was done by sequencing followed by genotyping. Selected mutations were introduced into HBV replication competent constructs using site-directed mutagenesis and the sensitivity to ADV in Huh7 cell culture experiments was analysed. The statistical analysis was done using SPSS.
Results: There were found more HBeAg-positive than HBeAg-negative infected patients. A statistically significant influence of the HBV-genotype on the emergence of drug-resistant mutants could not been shown. Several detected sequence exchanges were not correlated with drug-resistance and represent as described previously polymorphisms (rtL122F (p=0.684), rtN124H (p=0.102), rtP130Q (p=0.103), rtD131N (p=0.064)).
In addition to the known drug-resistant mutants rtN236T and rtA181V the statistical analysis revealed a significant correlation between sequence exchanges and drug-resistance at the positions rtA38E/T (p=0.008), rtT128I/N (p=0.035) and rtL231V (p=0.015). Additionally, the exchange rtN248H was positively correlated with ALT (r=0.65, p<0.0001). The recently discussed mutants rtV84M, rtS85A, rtQ215S, rt233V and rtP237H could not be confirmed as resistant-mutants in this study. The phenotypic cell culture analysis of rtN236T (EC50= 20µM) did not show any susceptibility to ADV with a more than 6.7-fold increase of the EC50 compared to wild type HBV (EC50= 3µM) under treatment with ADV. rtN248H showed a slight reduction in susceptibility to ADV with a 4-fold increase of the EC50 (EC50= 12µM) compared to wild type HBV.
Conclusion: Two major ADV-resistant mutants are rtN236T and rtA181V. This analysis shows that antiviral treatment with ADV can select further exchanges in the HBV polymerase with an impact on antiviral susceptibility. Other nucleosids/nucleotids analogues, e.g. entecavir, lamivudin or tenofovir are considered an appropriate therapeutic alternative for the treatment of ADV-unresponsive patients. Which treatment concept for chronic hepatitis B to use, still remains a clinical challenge.