Inhaltszusammenfassung:
Im Gegensatz zu Normalzellen findet in vielen Tumorzellen eine hohe Laktatproduktion auch in Gegenwart von Sauerstoff statt („aerobe Glykolyse“, Warburg Effekt). In der vorliegenden Arbeit wurden Sauerstoffverbrauchsmessungen (Clark Elektrode) an den humanen Neuroblastomzelllinien Kelly, SK-N-SH und LS sowie ihren isolierten Mitochondrien durchgeführt und der Effekt von Glukose auf die Zellatmung wurde näher untersucht. Ergänzend wurde die Laktatproduktion der Zellen bestimmt, um Aufschlüsse über das Vorliegen des Warburg Effekts zu erlangen. Zur morphologischen Charakterisierung wurden von den isolierten Mitochondrien elektronenmikroskopische Aufnahmen angefertigt.
Die gemessenen Respirationsraten der drei humanen Neuroblastomzelllinien Kelly, SK-N-SH und LS war proportional zur eingesetzten Zellzahl. Die Zellatmung wurde zunächst in Abhängigkeit von der Glukosekonzentration bestimmt. Dabei zeigte sich, dass bei Verwendung von PBS++ als Inkubationsmedium die Zellen dann die höchste Atmungsrate aufwiesen, wenn keine Glukose im System vorhanden war. Wahrscheinlich greifen die Zellen dabei auf endogene Glukosespeicher (Glykogen) zurück. Mit zunehmender Glukosekonzentration (1mM bis 5mM) im Inkubationsmedium ging der zelluläre Sauerstoffverbrauch zurück. Unter diesen Bedingungen metabolisierten die Zellen Glukose offensichtlich vermehrt über die aerobe Glykolyse, was sich durch einen Anstieg der Laktatkonzentration bemerkbar machte. Bei Kelly- und SK-N-SH-Zellen wurden bei zunehmendem Glukoseangebot niedrigere Respirationsraten und parallel hierzu eine ansteigende Laktatproduktion festgestellt. LS-Zellen hingegen zeigten mit vermehrtem Glukoseangebot sowohl einen Anstieg der Atmungsrate als auch der Laktatbildung. Wurde statt des glukosehaltigen PBS++ RPMI 1640 verwendet, das zusätzlich zu Glukose auch andere zum Zellwachstum erforderliche Komponenten wie Glutamin (2 mM) enthält, dann wurden höhere Respirationsraten erzielt. Möglicherweise ist dies auf eine vermehrte Glutaminolyse zurück zuführen, die durch anapleurotische Reaktionen Zwischenstufen des Citratzyklus bereitstellt.
Die angefertigten elektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigten morphologische Unterschiede von Kelly- und SK-N-SH-Mitochondrien im Vergleich zu LS-Mitochondrien. Bei der Messung der mitochondrialen Atmungsrate wiesen allen drei Zelllinien eine Steigerung der basalen Respirationsrate nach Succinat-Zugabe auf.
Da Tumorzellen unter Normalbedingungen Glukose in einem erheblichen Umfang über die aerobe Glykolyse verstoffwechseln, besteht einer der neuen therapeutischen Ansätze darin, diesen Basisstoffwechselweg medikamentös, z.B. mit Dichloracetat, in Richtung der oxidativen Phosphorylierung zu verschieben: Durch vermehrten Sauerstoffverbrauch soll bei Tumorzellen, die den Warburg Effekt aufweisen, u.a. durch das damit verbundene gesteigerte Auftreten von reaktive Sauerstoffverbindungen Apoptose bzw. eine Proliferationshemmung ausgelöst werden, wie an einigen Systemen bereits gezeigt werden konnte. Wachstumshemmende Effekte und die Umlenkung hin zu einem vermehrten Sauerstoffverbrauch durch Dichloracetat waren bei Kelly-Zellen zu verzeichnen, allerdings waren die dabei erzielten Effekte nicht sehr ausgeprägt. Trotzdem ist dieser Ansatz ein möglicher Weg zu einer Tumortherapie unter Einbeziehung des Warburg Effektes.
Abstract:
In contrast to normal mammalian cells, many cancer cells convert glucose preferentially to lactic acid even in the presence of oxygen („aerobic glycolysis“, Warburg effect). This work presents the results of oxygen consumption measurements (Clark electrodes) of the neuroblastoma cell lines Kelly, SK-N-SH, LS and their isolated mitochondria. The effect of glucose concentration on cell respiration rate was investigated. Additionally, the lactic acid production of the examined cell lines was estimated. Electron microscopic pictures were taken for a morphologic characterization of the isolated mitochondria.
Respiration rates of the three human neuroblastoma cell lines increased linearly with cell concentration. The glucose dependency of the oxygen consumption in the cell culture was determined. It was shown that cells in glucose free PBS medium displayed the highest respiration rate. Presumably in this case the cells use their endogenous glucose storage (glycogen) to fuel glycolysis. The augmentation of glucose concentration (1mM till 5 mM) led to reduced cell respiration rates. Under these circumstances an increased amount of glucose is metabolized via aerobic glycolysis which is indicated by increasing lactate concentration in the cell medium. With increasing glucose supply Kelly and SK-N-SH cells displayed lower respiration rates and higher lactic acid production. LS cells, on the other hand, showed an augmentation of oxygen consumption and lactic acid production with increased glucose concentration.
Cells in RPMI 1640 showed higher respiration rates as cells in glucose supplemented PBS medium. This is probably caused by higher glutaminolysis providing Krebs cycle intermediates through anaplerotic reactions. The cell culture medium RPMI 1640 contains additionally to glucose also other components like glutamine (2mM), which are important for cell-growth.
Electron microscopy of isolated mitochondria revealed morphological differences between Kelly and SK-N-SH- compared to LS cells. The mitochondria of all three cell lines showed an increase in basic respiration rate after addition of succinic acid.
Under normal conditions, cancer cells metabolize glucose through aerobic glycolysis. By using new chemotherapeutic agents like dichloroacetate (DCA) new therapeutic strategies target glucose metabolism by shifting cell metabolism away from lactate production towards oxidative phosphorylation. In cancer cells exhibiting the Warburg effect it is believed that increased oxygen consumption results in an increase in oxygen radicals. These subsequently inhibit cell proliferation and induce cell death, as verified in several cell systems. The results presented here, while not conclusive, suggest that in Kelly cells dichloroacetate increases cell oxygen consumption, and inhibits cell proliferation. Therefore, the Warburg effect could be used as a potential target in anticancer therapy.