Inhaltszusammenfassung:
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Insulinsensitivität des zentralen Nervensystems (ZNS) von einer genetischen Komponente mitbestimmt wird. Nachdem das Gehirn eine lange Zeit als insulinunempfindliches Organ galt, zeigten neuere Studien, dass Insulinrezeptoren mit funktionsfähiger Signaltransduktionskaskade im ZNS vorhanden sind. Es konnten im weiteren Verlauf eine modulierende Wirkung von Insulin auf Energiehomöostase, Kognition, Nahrungsaufnahme und Reproduktion nachgewiesen werden.
Unsere Gruppe konnte in zwei Experimenten den Nachweis erbringen, dass sich die Insulinwirkung am ZNS durch Messung der spontanen und stimulierten kortikalen Aktivität im Magnetencephalografen (MEG) beurteilen lässt, und dass der Insulineffekt bei übergewichtigen im Vergleich zu normalgewichtigen Probanden nicht vorhanden ist.
Während bei diesen Experimenten das Hauptaugenmerk auf Umweltvariablen (Gewicht des Probanden, Body-mass index, Körperfett) lag, stellte sich die Frage, ob auch genetischen Variablen eine beeinflussende Rolle zukommt. Um dies zu untersuchen wählten wir Probanden mit einem prävalenten Polymorphismus im IRS-1 Gen (Gly972Arg), der zu einer Beeinträchtigung der normalen Signaltransduktion führt und somit möglicherweise Auswirkungen auf die Insulinsensitivität hat.
Um etwaige Auswirkungen auf die Insulinsensitivität des ZNS beurteilen zu können, wurden zu elf Polymorphismusträgern eine gleiche Anzahl von Wildtypträgern gematcht und mittels Magnetencephalographie und 2-stufigen euglykämischen hyperinsulinämischen Clamp (vs. Kochsalz-Lösung als Placebo) untersucht. Neben der spontanen kortikalen Aktivität (Beta- und Theta-Band) wurde die stimulierte kortikale Aktivität (mismatch negativity) gemessen.
Der Vergleich der ermittelten Daten zeigte signifikante Unterschiede bei der spontanen kortikalen Aktivität im Beta-Band. Der Aktivitätsanstieg unter Insulingabe bei den Wildtypträgern ließ sich bei den Polymorphismusträgern nicht nachweisen. Ein weiterer signifikanter Unterschied ergab sich bei den Bedürfnis-Fragebögen für Essen. Träger des Polymorphismus zeigten im Vergleich zum Placeboexperiment ein unter Insulin höheres Bedürfnis zu Essen als Wildtypträger.
Aus den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit lässt sich schließen, dass Insulin die kortikale Aktivität des ZNS beeinflusst. Diese Insulinwirkung am ZNS ist bei Trägern des IRS-1 Gly972Arg Polymorphismus reduziert, was für das Vorhandensein einer genetisch bedingten Insulinresistenz des ZNS spricht. Möglicherweise bedingt diese herabgesetzte Insulinwirkung am ZNS auch eine herabgesetzte Sättigungswirkung von Insulin. Der IRS-1 Polymorphismus könnte somit durch Minderung der zentralen, die Nahrungsaufnahmen modulierenden Insulinwirkung eine Rolle in der Pathogenese von Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 spielen.
Abstract:
This dissertation addresses the question if the insulin sensitivity of the central nervous system (CNS) is in part determined by a genetic component. The brain has usually been regarded as insulin-independent, but newer studies show the presence of insulin-receptors connected to a functional signal-transduction cascade in the CNS. Furthermore, it was shown that insulin exhibits a modulating effect on energy homeostasis, cognition, food intake and reproduction.
Our group was able to demonstrate in two experiments that the insulin effect on the CNS could be assessed with magnetencephalography (MEG) by measuring the spontaneous and stimulated cortical activity, and that this insulin effect was absent in overweight test subjects compared to test subjects within normal weight limits.
While the major focus during those experiments was on environmental variables (weight of test subjects, body-mass index, body fat), the question arose if genetic variables also have an influence. To address this question we chose test subjects with a prevalent polymorphism in the IRS-1 gene (Gly972Arg), which leads to an impairment of the normal signal-transduction and therefore probably influences the insulin sensitivity.
To assess possible influences on the insulin sensitivity of the CNS, we matched the same number of wildtype carriers to eleven polymorphism carriers and subjected the test groups to MEG measurements during a two-step euglycemic hyperinsulinemic clamp (vs. sodium chloride solution as placebo). Besides the spontaneous cortical activity (beta- and theta-band) we also measured the stimulated cortical activity (mismatch negativity).
The comparison of the obtained data showed significant differences in the spontaneous cortical activity in the beta-band. The increased activity during insulin administration in the wildtype carriers was not present in the polymorphism carriers. Another significant difference was noted in the questionnaire for appetite. During insulin application, polymorphism carriers exhibited a higher appetite compared to wildtype carriers.
From those results we can conclude that insulin influences the cortical activity in the CNS. This insulin effect on the CNS is reduced in carriers of the IRS-1 Gly972Arg polymorphisms which points at the presence of a genetically determined insulin resistance of the CNS.
The reduced insulin effect on the CNS potentially also leads to the impaired satiety-inducing effect of insulin. Consequently, through the reduced central insulin effect on food intake modulation, the IRS-1 polymorphism could play a role in the pathogenesis of adiposity and type 2 diabetes mellitus.