Inhaltszusammenfassung:
Die Annahme, dass das Kleinhirn einen Beitrag zu kognitiven Prozessen leistet, hat die motorische Struktur in den letzten 20 Jahren in den Fokus neuropsychologischer Forschung gerückt. Gut kontrollierte Studien an Patientengruppen mit akuten, fokalen cerebellären Läsionen sind jedoch noch selten. Einzelfallbeobachtungen findet man des Öfteren, hier sind die Ergebnisse widersprüchlich. Inwieweit das Kleinhirn für kognitive Prozesse eine Rolle spielt und ob sich daraus eine klinische Relevanz ergibt ist nach wie vor umstritten.
In der vorliegenden Studie wurde als kognitiver Aspekt die visuell-räumliche Wahrnehmung von Patienten mit akuten Läsionen des Kleinhirns untersucht und mit einer parallelisierten Kontrollgruppe verglichen. Bei den Patienten wurde die Läsionsseite (rechts/links) und das Infarktareal (PICA/SCA) betrachtet.
Abgesehen von Patienten mit rechtsseitiger SCA-Läsion konnten in unserer Studie sowohl bei der Neglect- als auch bei der Extinktionstestung nur unspezifische Schwierigkeiten der Kleinhirnpatienten gegenüber der Kontrollgruppe festgestellt werden, die allerdings klinisch nicht relevant waren. Diese milden Defizite haben wohl am ehesten mit Aufmerksamkeits- bzw. Konzentrationsstörungen im akuten Krankheitszustand zu tun. Signifikant schlechtere Leistungen der rechtsseitigen SCA-Patienten in der Linienhalbierung sind möglicherweise mit motorischen Defiziten und/oder dem höheren Alter in Zusammenhang zu bringen. Bei keinem der Patienten war die Beeinträchtigung so groß wie man sie von Patienten nach cerebralen Schädigungen kennt.
In der vorliegenden Studie fanden sich nur unspezifische Auffälligkeiten, jedoch kein klinisch relevantes Zeichen von Neglect oder Extinktion. Die Annahme, dass das Kleinhirn an kognitiven Prozessen im visuell-räumlichen Bereich beteiligt ist, sowie die Lateralisation dieser Funktion zu einer bestimmten Seite, konnte in der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden.
Abstract:
The assumption that the cerebellum plays a role in cognitive processes has put the motor structure in focus of neuropsychological research during the last 20 years. Well-controlled studies on patient groups with acute, focal cerebellar lesions are rare. Individual cases are reported frequently, however results are contradictory. It is still disputed to what extent the cerebellum is involved in cognitive processes and if there is a clinical relevance.
In the present study visuo-spatial perception was examined as cognitive aspect of patients with acute cerebellar lesions that were matched to a parallelised control group. The lesion side (right/left) and the infarction area (PICA/SCA) of the patients were taken into account.
Except for patients with right-sided SCA-lesion, our study could only detect unspecific problems of cerebellar patients compared to the control group, both in the neglect tests as well as in the extinction tests. Those problems were clinically not relevant. These mild deficits are supposably caused by distraction in the acute medical condition. Significantly worse achievements of right-sided SCA-patients in the line bisection are probably in conjunction with motor deficits and/or the greater age of those patients. None of the patients had such big disturbances as they are commonly known of patients with cerebral lesions.
In the present study only unspecific problems were found but no relevant clinical sign of spatial neglect or extinction. The assumption that the cerebellum is involved in cognitive processes of the visuo-spatial field, as well as the lateralisation of this function to a certain side, cannot be confirmed in the present study.